18.05.2024

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Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Kolumne / Die Pax Americana endet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Kolumne
Die Pax Americana endet
Florian Stumfall

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist gerne für eine Überraschung gut. Die allerneueste mutet einigermaßen skurril an. Er, als ein wesentlicher Vertreter von EU und NATO, also den bestimmenden supranationalen Einheiten der westlichen Welt, bewarb sich um die Teilnahme an der im August stattfindenden Versammlung der BRICS-Staaten in Südafrika. Zwar dürfte keine Einladung ausgesprochen werden, aber allein die Vorstellung, Frankreich könnte daran teilhaben, ist abwegig. Das wird offenkundig, wenn man sich vergegenwärtigt, was und wie BRICS eigentlich ist.

Das Namenskürzel zeigt die Teilnehmer-Staaten an: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Bald wird man sie Gründerstaaten nennen müssen, denn die Liste der Länder, die in den Bund aufgenommen werden wollen, wird länger. Ganz vorne stehen Schwergewichte wie Saudi-Arabien, Indonesien und der Iran. An die zwanzig Länder rund um den Globus stehen auf der Warteliste.

Insgesamt ist BRICS ein Gegenentwurf zu dem vom Westen, zu dem strategisch auch Japan zu rechnen ist, und hier den USA vorgetragenen Anspruch auf die Führerschaft in der Welt. Dieser Anspruch hat mehrere Facetten, angefangen von den Menschenrechten nach westlicher Definition über die militärische Dominanz vor allem der fast tausend US-Basen weltweit bis hin zur strafbewehrten Durchsetzung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen im Sinne des Westens. Doch gerade die Sanktionen, ein wesentliches Mittel der Außenpolitik zunächst der USA und im Gefolge nun auch der EU, sind es, die den Gegnern der westlichen Dominanz immer mehr Staaten zutreiben.

Für Multi- statt Unipolarität

Zum einen bestehen diese Gegner aus Schwellenländern und dem Weltteil, den man früher als Dritte Welt bezeichnet hat, und der heute „Globaler Süden“ genannt wird. Gemeinsam haben sie so gut wie alle die geschichtliche Erfahrung, dass sie Objekte des europäischen Kolonialismus gewesen sind. Dabei spielt es keine Rolle, dass manche von ihnen ihrerseits ebenfalls eine Vergangenheit als Kolonialherrn zu anderer Zeit und unter anderen Bedingungen haben. Wenn nun die westlichen Politiker stets mit der Attitüde auftreten, sie seien angesichts ihrer höheren Moral berechtigt, Völkern anderer Kulturkreise Vorschriften zu machen, so wird das als Ausdruck einer fortbestehenden kolonialen Attitüde erlebt. Das erhöht die Bereitschaft, sich einer Verbindung zuzugesellen, die dem Widerstand leisten kann.

Gefördert wird diese Bereitschaft durch das westliche Sanktions-Regime, das sich über den Globus zieht, und auch bei den Ländern unangenehme Gedankenverbindungen weckt, die selbst nicht unmittelbar davon betroffen sind. So ergibt sich eine Neuordnung der Welt nach dem Zusammenbruch des staatlichen Sozialismus. Es geht um die Frage, ob sich diese Welt nach einem Banner, nämlich dem Sternenbanner der USA, ausrichten oder mehrere politische Kraftzentren bilden soll. BRICS ist der Kontrapunkt, und bei dem Zuspruch, den diese Verbindung findet, wird der Einfluss des Westens geringer.

Das wirkt sich auch im Hinblick auf das entscheidende Mittel aus, das den USA über Jahrzehnte erlaubt hat, als Weltmacht Nummer 1 aufzutreten. Dies ist die Rolle des US-Dollar als Weltreservewährung. Bislang war es so, dass ein Land A, welches dem Land B die Ware Z abkaufen wollte, dies in Dollar verrechnete. Jedes internationale Geschäft schuf daher eine Nachfrage nach dem US-Dollar. Das stabilisierte die US-Währung und ermöglichte es Washington, Schulden in einer Höhe von bereits über 30 Billionen Dollar anzuhäufen. Das Ausland finanzierte die Schulden der USA. Mit diesem Geld wurde im Wesentlichen die Militär-Maschinerie aufgebaut und unterhalten.

Nicht zuletzt mit dem Auftreten von BRICS oder auch der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) verzichten immer mehr Länder bei ihrem internationalen Handel auf die Verrechnung in Dollar. Stattdessen verwenden sie regionale Währungen oder auch den chinesischen Yuan. Während es früher so dargestellt wurde, als sei das Bestehen einer Weltreservewährung eine Tatsache mit naturgesetzlicher Sicherheit, stellt sich nun heraus, dass diese Annahme falsch ist. Allerdings wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass der Dollar immer mehr unter Druck gerät und in der Folge zunächst die US-Wirtschaft und dann das Militär nicht mehr die Kraft haben werden, die es braucht, um eine unbestrittene Führungsmacht zu sein.

Verzicht auf den US-Dollar

Die Anzeichen einer Neubesinnung und eines wachsenden Selbstbewusstseins des Globalen Südens sind so zahlreich wie vielfältig. So wurde im Jahr 2011 Syrien auf Betreiben der USA aus der Arabischen Ling ausgeschlossen. Nun hat Damaskus wieder an einem Gipfel teilgenommen, trotz aller Proteste aus Washington. Oder ein anderes Beispiel: Pakistan hat kürzlich, unbeeindruckt von allen westlichen Sanktionen, Öl in Russland eingekauft. Fakturiert wurde das Geschäft in Yuan. Oder: Der Präsident Kenias, William Ruto, regt seine afrikanischen Amtskollegen dazu an, sich, soweit noch nicht geschehen, dem Panafrikanischen Zahlungssystem PAPSS anzuschließen, um vom Dollar unabhängig zu werden. Und ein weiteres: Vor Kurzem besuchte der Präsident von Venezuela, Nicolás Maduro, seinen brasilianischen Amtskollegen Luis Inácio Lula da Silva. Sie beschlossen eine engere Zusammenarbeit und vor allem die Möglichkeiten, in der Region Handel ohne den US-Dollar zu treiben.

Die zwanzig Jahre nach dem Kalten Krieg bis zum Erwachen Chinas und dem Wiedererstarken Russlands, als der Westen global ohne Widerpart gewesen ist, haben dort zu einem strategischen Tunnel-Blick geführt. Der Anspruch, eine „einzige Weltmacht“ zu sein, wie es US-Präsidentenberater Zbigniew Brzeziński als Buchtitel formuliert und gründlich ausgeführt hat, lässt sich nicht aufrechterhalten. Je eher die USA sich zu einem realistischen Blick bequemen, umso weniger schmerzlich wird der Abschied von der früheren Rolle sein. Und die EU soll Abschied nehmen von einer ihrer Gründungs-Legenden, dass Europa nur im Korsett der EU im Konzert der Großen mitspielen könne.

Der Autor ist ein christsoziales Urgestein und war lange Zeit Redakteur beim „Bayernkurier“.