18.05.2024

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Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Frisch geweckte Begehrlichkeiten / Diskussion um Kamerun-Objekte in Berliner Museen – Ausstellung im Schloss Charlottenburg beleuchtet preußische Kolonialgeschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Frisch geweckte Begehrlichkeiten
Diskussion um Kamerun-Objekte in Berliner Museen – Ausstellung im Schloss Charlottenburg beleuchtet preußische Kolonialgeschichte
Harald Tews

Für Deutschlands Kulturpolitik hat sich die Rückgabe der Benin-Bronzen aus deutschen Museen als Desaster erwiesen. Denn anstatt die Bronzen in einem geplanten und auch mit deutschen Steuergeldern finanzierten Museum im nigerianischen Benin-City auszustellen, hat Muhammadu Buhari kurz vor seinem Abschied als Präsident von Nigeria zuvor restituierte Bronzen dem Oba (König) von Benin geschenkt. Aus Staats- wurde somit Privateigentum und damit der Willkür einer einzelnen Person überlassen. Was mit den Objekten zukünftig passiert, ist völlig ungewiss. Von sorgfältig kuratierten Museumsstücken bis zum Einschmelzen der Bronzen ist alles möglich.

Kaum hat sich die Aufregung um die Benin-Bronzen gelegt, werden für das nächste afrikanische Land Ansprüche angemeldet: Kamerun. Das Land stand kurze Zeit, von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg, unter deutschem kolonialen Einfluss. Seither liegen über 40.000 Objekte aus Kamerun in deutschen Museen. Das geht aus dem „Atlas der Abwesenheit“ hervor, den der kamerunische Kulturwissenschaftler Albert Gouaffo und die an der TU Berlin lehrende französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy herausgegeben haben.

Letztere exponiert sich immer wieder, wenn es um Fragen von Beute-, Raubkunst oder Restitution von afrikanischen Kulturgütern geht. Für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron fertigte sie 2018 einen grundlegenden Bericht über die Rückgabe afrikanischer Kunst aus französischen Museen an.

Eine ähnliche Bedeutung könnte auch der „Atlas der Abwesenheit“ für ethnologische Sammlungen in Deutschland haben. Wenn es danach ginge, könnte bald der Kamerun-Saal im Berliner Humboldt-Forum leer geräumt sein, noch bevor afrikanische Staaten von sich aus Restitutionsforderungen stellen. Die Rückgabe der Figur der Ngonnso, eine mit Kaurischnecken beklebte Holzfigur im Kamerun-Saal, hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bereits beschlossen.

Deutsche Kulturpolitiker werden ähnlich wie bei den Benin-Bronzen durch ihren postkolonialen Antrieb pflichtschuldig alles zurückgeben, egal ob Gegenstände von der einstigen Schutzmacht legal erworben wurden oder nicht. Der „Atlas“ spricht daher allgemein von „Kulturgutentzug“. Das kann eine Plünderung ebenso bedeuten wie käuflicher Erwerb. Es darf nicht vergessen werden, dass einheimische Händler aus eigenem materiellen Interesse eifrig dabei halfen, traditionelle Waren an die deutschen Schutztruppen zu verkaufen.

Savoy sieht sich dafür als oberste Interessenvertreterin für afrikanische Staaten in puncto Rückgabe aller Kunstobjekte. Sie will jene Begehrlichkeiten wecken, die Deutschland angeblich laut einem „Geheimpapier“ von 1978 „zur ,Abwehr‘ von Restitutionsforderungen aus dem afrikanischen Kontinent und der UNESCO“ erst gar nicht aufkommen lassen wollte. Man habe die Sammlungen lieber in den Depots versteckt gehalten, anstatt sie wissenschaftlich aufzuarbeiten. Weil etwa die 100-jährige Präsenz von zirka 6000 historischen Objekten aus Kamerun im Berliner Völkerkundemuseum (seit dem Jahr 2000 Ethnologisches Museum) bis 1999 „so gut wie nichts gebracht“ habe, sei dort ein weiterer Verbleib nicht gerechtfertigt.

Mohren am preußischen Hof

Unterdessen nimmt auch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die koloniale Vergangenheit ihrer Sammlungsbestände in den Blick. Ihre Sonderausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial. Biografien und Sammlungen im Fokus“, die vom 4. Juli bis 31. Oktober im Berliner Schloss Charlottenburg zu sehen ist, kann man als letztes Aufbäumen einer Sammlungsgeschichte verstehen, ehe auch diese im wahrsten Sinne Geschichte sein wird.

Die in den preußischen Schlössern und Gärten ausgestellten Objekte und dargestellten Menschen wurden bisher meist losgelöst von der deutschen Kolonialgeschichte präsentiert und betrachtet. Dabei reicht die koloniale Geschichte Brandenburgs bis ins 17. Jahrhundert zurück. So war auch die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie (BAC) im transatlantischen Sklavenhandel involviert. Darüber hinaus wurden bis ins 19. Jahrhundert hinein Afrikaner an den preußischen Hof gebracht, wo sie als Diener, Maler oder Musiker arbeiteten.

Die Sammlungen des brandenburgisch-preußischen Hofes umfassten Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände aus Asien, Afrika und Südamerika, die über koloniale Verbindungen ihren Weg in die Kunstkammern fanden. Davon zeugen Möbelstücke aus Elfenbein aus dem 17. Jahrhundert oder zunächst unscheinbar wirkende Glasperlen, die für den Versklavungshandel elementar waren. Beides verweist auf die kolonialen Aktivitäten Brandenburgs auf dem Gebiet des heutigen Ghana. Außereuropäische Werke in den Sammlungen, die lange Zeit aus europäischer Perspektive einseitig interpretiert und damit ihrem ursprünglichen Nutzen entfremdet und kulturell umgedeutet wurden, werden in der Ausstellung neu eingeordnet, so beispielsweise eine sehr seltene Elfenbeindose aus Sri Lanka. 

Es ist eine Ausstellung, welche die von Savoy in ihrem „Atlas“ erwähnten „Begehrlichkeiten“ weckt und die vielleicht letztmalig afrikanisches Kulturgut zeigt, bevor dieses ein ähnliches Schicksal nimmt wie die womöglich auf Nimmerwiedersehen in nicht-öffentliche Hände verbrachten Benin-Bronzen.