18.05.2024

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Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Henriette von Egloffstein / Ihre Memoiren spiegeln das klassische Weimar / Vor 250 Jahren geboren, errang die fränkische Gräfin schon bald eine führende Stellung im gesellschaftlichen Leben der Musenstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Henriette von Egloffstein
Ihre Memoiren spiegeln das klassische Weimar
Vor 250 Jahren geboren, errang die fränkische Gräfin schon bald eine führende Stellung im gesellschaftlichen Leben der Musenstadt
Martin Stolzenau

Henriette Sophie Franziska Friederike Albertine Gräfin von Egloffstein stammte aus dem heutigen Kreis Forchheim in Oberfranken, wurde in Weimar von zahlreichen Berühmtheiten gefördert und gehörte als schriftstellernde Hofdame zum Goethekreis und zu den Teilnehmern des berühmten Mittwochkränzchens im Haus am Frauenplan. Ihre zweite Lebenshälfte verbrachte sie im Kloster Marienrode bei Hildesheim. Nach Meinung von Zeitgenossen liegt ihre Bedeutung in ihren stilistisch gewandten, gelegentlich humorvollen Memoiren mit vielen treffenden Charakteristiken, die glänzend die Atmosphäre des klassischen Weimar, teils auch hinter den Kulissen, widerspiegeln.

Egloffstein wurde am 6. Juli 1773 auf Burg Egloffstein, dem gleichnamigen Stammsitz der Adelsfamilie, geboren. Die Burg liegt nahe der Großen Kreisstadt Forchheim im Regierungsbezirk Oberfranken. 

Sie hatte drei ältere Brüder, die in Weimar Karriere machten. Als Eltern sind Sophie von Thüna und Freiherr Karl Ludwig von Egloffstein überliefert. Der Vater war brandenburgischer Kämmerer und förderte vor allem seine Söhne. Zwei schlugen die Offizierslaufbahn ein. Sohn Friedrich Gottfried stieg in der Folge zum sachsen-weimarischen General und Schlosshauptmann auf. Sohn August hatte auch den Rang eines sachsen-weimarischen Generals. 

Die Freiin Henriette von Egloffstein erhielt eine standesgemäße Mädchenerziehung, die auf die Religion und die Vorbereitung auf die Ehe zielte. Parallel entwickelte sie schon früh literarische Interessen, die sich nach ihrer Übersiedlung als 14-Jährige in den Haushalt des Bruders in Weimar und ihrer Einführung am Hofe voll entfalten konnten. Die Herzogin-Witwe Anna Amalia übernahm persönlich ihre Ausbildung und die Förderung ihrer Talente. Die Freiin erhielt zusätzlich von Dichtern wie Johann Gottfried Herder, Karl Ludwig von Knebel und Christoph Martin Wieland im regen Gedankenaustausch wichtige Impulse für ihre Entwicklung. 

1789 gab es allerdings einen Einschnitt. Henriette musste gegen ihren Willen auf Wunsch ihres Vaters den Grafen Leopold von Egloffstein-Arklitten, ihren Vetter, heiraten und auf dessen Geheiß Weimar verlassen.

Damit begann ein weiteres Kapitel. Die nunmehrige Gräfin erfüllte ihre ehelichen Pflichten, genoss einen Aufenthalt in Italien, wo sie sich intellektuell vervollkommnete, und lebte dann mit ihrem Ehemann in Erlangen. Parallel brachte sie fünf Kinder zur Welt. Doch die Ehe war voller Spannungen. Sie flüchtete oft nach Weimar, wo sie nun auch Johann Wolfgang von Goethe kennenlernte und mit ihrer Ausstrahlung zum ständigen Mitglied des Goethekreises wurde. 

Die Gräfin wurde 1803 geschieden, genoss eine gewisse Freiheit und war nun als Hofdame eine Galionsfigur im gesellschaftlichen Leben der Dichterstadt an der Ilm. Im „Mittwochkränzchen“ in Goethes Haus trafen sich kulturschaffende Prominente von Weimar wie der Schriftsteller Friedrich Schiller oder der Maler Heinrich Meyer. Schiller schrieb über die Verläufe an Christian Gottfried Körner: „Es geht recht vergnügt zu …, es wird fleißig gesungen und poculiert.“ Dabei entstanden in der Runde auch völlig neue Tischlieder, die dann im Taschenbuch bei Johann Friedrich Cotta veröffentlicht wurden. Die Gräfin war ein fester Bestandteil.

In Weimar lernte Egloffstein den hannoverschen General und Oberforstmeister Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay kennen und heiratete 1804 den Verehrer. 1811 nahm sie wieder Abschied von Weimar und wechselte mit ihrem zweiten Mann und ihren Töchtern aus der ersten Ehe in das Forsthaus in Misburg. Nach der Überwindung der napoleonischen Ordnung zog die Familie um in das Kloster Marienrode bei Hildesheim.

Kultureller Mittelpunkt

Dieses 1125 gegründete Kloster existierte zunächst als Augustinerkloster und wurde später ein Zisterzienserkloster. Nach der Säkularisation wurde Marienrode Bestandteil des 1807 von Napoleon geschaffenen Königreichs Westphalen. Nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 zerfiel der von diesem geschaffene und von dessen jüngstem Bruder Jérôme Bonaparte regierte Staat. Marienrode geriet in die Verfügungsgewalt des britischen Königs Georg III. in dessen Eigenschaft als Kurfürst von Hannover. Noch im selben Jahr verlieh Georg III. die Domäne seinem Generalleutnant und Oberforstmeister. 

1815 zog der mit Frau und Kindern in das Kloster. Dort residierte das Paar in den folgenden Jahrzehnten und bildete einen kulturellen Mittelpunkt. Die Hausherrin unterhielt weiter einen regen Briefkontakt mit zahlreichen Prominenten ihrer Zeit bis hin zur Herzogin-Witwe Anna Amalia und Goethe. Zwischendurch schriftstellerte die vormalige Weimarer Hofdame und brachte auch ihre Novelle „Umsonst“ heraus. Währenddessen entwickelte sich ihre Tochter Auguste zur Dichterin und ihre Tochter Julie zur Malerin. 

1855 verstarb ihr zweiter Ehemann. Sie überlebte ihn um neun Jahre. Am 15. Oktober 1864 starb Henriette im Alter von 91 Jahren im Kloster Marienrode. An die Tote erinnert außer dem erhaltenen Grabmal in Marienrode ein ebenfalls noch existierendes Gemälde, das einst Johann Friedrich August Tischbein schuf, und eine Reliefplatte am Rathaus von Misburg, das inzwischen ein Stadtteil von Hannover ist.