18.05.2024

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Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Deutsche Teilung / Ein Weg zur Einheit, der zur Spaltung führte / Im Sommer des Jahres 1948 erreichte der Kalte Krieg einen Höhepunkt. Leidtragende waren die Deutschen, deren besetztes Land sich in Folge des alliierten Zerwürfnisses zunehmend auseinanderentwickelte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Deutsche Teilung
Ein Weg zur Einheit, der zur Spaltung führte
Im Sommer des Jahres 1948 erreichte der Kalte Krieg einen Höhepunkt. Leidtragende waren die Deutschen, deren besetztes Land sich in Folge des alliierten Zerwürfnisses zunehmend auseinanderentwickelte
René Nehring

Fast ein Dreivierteljahrhundert nach der Gründung zweier deutscher Nachkriegsstaaten ist die Frage, wer die Verantwortung für die Teilung Deutschlands trägt, für viele noch immer eine Glaubenssache. Unstrittig ist, dass die Abtrennung des deutschen Ostens von den Alliierten gemeinsam beschlossen und in ihrem Potsdamer Protokoll von 1945 festgehalten wurde. Doch wer die Verantwortung dafür trägt, dass US-Amerikaner, Briten und Franzosen einerseits sowie die sowjetische Besatzungsmacht andererseits entgegen ihrer ursprünglichen Absicht, den Rest des besiegten Deutschlands gemeinschaftlich verwalten zu wollen, schnell getrennte Wege gingen, ist noch immer umstritten – und hängt letztlich immer auch vom politischen Standpunkt der jeweiligen Betrachter ab. 

Die Gründung der Bizone

Unbestreitbar ist, dass die meisten formalen Schritte zur deutschen Teilung von den westlichen Alliierten vollzogen wurden. Bereits am 2. Dezember 1946 hatten die USA und Großbritannien beschlossen, ihre ihnen im Potsdamer Protokoll zugewiesenen Besatzungszonen vom 1. Januar 1947 an in einem Gemeinsamen Wirtschaftsgebiet zusammen zu verwalten. Bis dahin galt zwar, dass – dem Potsdamer Protokoll folgend – Deutschland von den Alliierten als Ganzes verwaltet werden sollte, faktisch jedoch jede Besatzungsmacht freie Hand in ihrer Zone hatte. Insbesondere die Sowjetunion und Frankreich lehnten eine gemeinsame deutsche Wirtschaftsverwaltung ab. Lediglich die Hauptstadt Berlin wurde von den Alliierten noch immer als Einheit behandelt. Die höchste Ebene deutscher Selbstverwaltung waren die kurz zuvor wieder- und neugegründeten Länder, sodass die Deutschen faktisch in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts zurückgeworfen waren. 

Mit der Gründung des Gemeinsamen Wirtschaftsgebiets (vereinfacht Bizone genannt) wurde nun erstmals seit dem Kriegsende ein überregionaler territorialer Zusammenschluss in Deutschland geschaffen. Das am 22. Juli 1946 eingesetzte Direktorium des Ersten Wirtschaftsrates – bestehend aus je einem Direktor für a) Wirtschaft, b) Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, c) Finanzen, d) Verkehr sowie e) Post- und Fernmeldewesen –, später gefolgt vom Verwaltungsrat des Zweiten Wirtschaftsrates, war faktisch die erste mehrere Länder vereinende deutsche Exekutive seit Absetzung der Reichsregierung Karl Dönitz am 23. Mai 1945. 

Die Bizone führte unter anderem die Schwerindustrie und die reichen Kohlevorkommen des Westens mit der Agrarwirtschaft und verarbeitenden Industrie des Südens zusammen. Und mit 41 Millionen Einwohnern (darunter viele Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten) umfasste sie die Mehrheit der Bevölkerung des Deutschen Reichs. 

Der Weg zur eigenen Währung im Westen Deutschlands 

Schnell zeigte sich, dass der Zusammenschluss der Zonen beiden Seiten zum Vorteil gereichte. Allerdings führte die Harmonisierung im Westen und Süden zur Entfremdung vom Osten. Und als dann noch im März 1948 US-Amerikaner, Briten und Franzosen auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz (auf der neben den Westalliierten auch die BeNeLux-Länder teilnahmen) den Beitritt der französischen Besatzungszone (außer dem Saarland) zum Gemeinsamen Wirtschaftsgebiet beschlossen (der erst ab April 1949 formell wirksam wurde), wurde nicht nur die Bizone zur Trizone, sondern auch die zunehmende Spaltung Deutschlands in zwei weltanschaulich und ökonomisch höchst unterschiedlich geprägte Teile offensichtlich. Allerdings bedeuteten die Zusammenschlüsse der Westzonen noch keine formelle Teilung. 

Dies änderte sich mit der Währungsreform vom 20. Juni 1948. An diesem Tag, einem Sonntag, wurde die Deutsche Mark zum neuen und einzigen Zahlungsmittel in der Trizone. Wenige Tage später führte die Sowjetmacht in ihrer Besatzungszone eine eigene Währung ein. 

Mag die Einführung der D-Mark angesichts des Verfalls der bis dahin gültigen Reichsmark und der Rentenmark für die betroffenen Zonen ökonomisch sinnvoll und als Startschuss für das Wirtschaftswunder ein Segen gewesen sein – so hatte sie deutschlandpolitisch eine fatale Wirkung. Zum einen war Deutschland nunmehr offiziell in zwei Währungsgebiete geteilt. Zudem verfügten die Länder in den westlichen Besatzungszonen mit der bereits zum 1. März 1948 gegründeten Bank deutscher Länder (hervorgegangen aus der von Ludwig Erhard geleiteten Sonderstelle Geld und Kredit der Finanzverwaltung der Bizone) erstmals über eine eigene souveräne Behörde, deren Kompetenzbereich nicht mehr das gesamte (Rest-)Deutschland umfasste. Mit der Gründung der Deutschen Notenbank der SBZ standen erstmals auf einem zentralen Feld staatlicher Hoheit zwei deutsche Behörden in systemischer Konkurrenz zueinander.

Berlin-Blockade und Luftbrücke

Mit der geldpolitischen Teilung Deutschlands überschlugen sich die Ereignisse. Aus Angst vor einer Überflutung der eigenen Zone mit durch die Währungsunion im Westen wertlos gewordenen Reichsmark sowie auch als Demonstration der Stärke begann die sowjetische Militärverwaltung in der Nacht vom 23. zum 24. Juni 1948 mit der Schließung der innerdeutschen Grenze sowie der Abriegelung und Kappung der Versorgung West-Berlins. Zunächst stellte das Kraftwerk Zschornewitz bei Gräfenhainichen seine Stromlieferung ein, womit – da die Kraftwerke in den Westsektoren die Versorgungslücke nicht schließen konnten – in weiten Teilen West-Berlins buchstäblich die Lichter ausgingen. Am Morgen des 24. wurden dann alle Straßen-, Wasser- und Schienenverbindungen nach Berlin eingestellt, sodass der Personen- und der Güterverkehr zum Erliegen kam. Schnell zeigte sich, dass der Westteil der einstigen Reichshauptstadt auf sich selbst gestellt nicht überlebensfähig war. 

Die Westalliierten, allen voran die USA, reagierten vom 26. Juni an mit der Einrichtung einer Luftbrücke und flogen schon bald im Minutentakt Nahrungsmittel, Medikamente, Treibstoff und Kohle sowie weitere dringend benötigte Produkte nach Berlin. Da es ihnen tatsächlich gelang, über die Luftbrücke die Millionenstadt zu versorgen, wurden die Alliierten in West-Berlin fortan weniger als Besatzer, sondern zunehmend als Schutzmacht vor der Bedrohung aus dem Osten wahrgenommen. Ein erheblicher Vorteil in der Schlacht um die Köpfe und Herzen der Deutschen, da die Russen in ihrer Zone bis zuletzt als Besatzungsmacht wahrgenommen wurden. 

„Empfehlungen“ zum Separatstaat

Die Westmächte gaben nun jegliche Bemühungen um eine einvernehmliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion auf. Am 1. Juli 1948 trommelten die alliierten Militärgouverneure der Trizone die Ministerpräsidenten der Länder in ihren Besatzungszonen im Frankfurter I.G.-Farben-Haus zusammen und übergaben ihnen die auf der Basis des Schlusskommuniqués der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz vom 7. Juni formulierten „Empfehlungen“ zur Gründung eines westdeutschen föderalen Separatstaates. 

In den als Frankfurter Dokumente in die Geschichte eingegangenen Papieren regten sie unter anderem die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung und die Neustrukturierung der Länder in der Trizone an. Das dritte Dokument befasste sich mit dem geplanten Besatzungsstatut, das von den deutschen Ländern gefordert worden war, um die Willkür alliierter Behörden zu beenden und das Besatzungshandeln auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. 

Der Berliner Historiker Henning Köhler bezeichnete das Vorgehen der Alliierten den Deutschen gegenüber als historisch einzigartig. Während gewöhnlich besetzte Länder und Nationen ihre Unabhängigkeit von den Besatzungsmächten zurückerringen würden, sei in diesem Falle mit den Londoner Empfehlungen eine „schroffe Aufforderung der Besatzungsmächte […], gefälligst einen Staat zu gründen“, ergangen. 

Widerstand der deutschen Länder

Allerdings verhielten sich die aufgeforderten Ministerpräsidenten keineswegs so, wie es die Alliierten „empfohlen“ hatten. Zunächst einmal erbaten sie sich ein paar Tage Bedenkzeit, die ihnen auch gewährt wurde. Vom 8. bis 10. Juli 1948 kamen sie im Koblenzer Hotel „Rittersturz“ zusammen, um über die Frankfurter Dokumente zu beraten. 

Schon der Teilnehmerkreis verriet, dass sie keineswegs gewillt waren, den westalliierten „Empfehlungen“ einfach Folge zu leisten. So wurde unter anderem auch die amtierende Oberbürgermeisterin von Berlin, Louise Schroeder, geladen. Dies war insofern ein Affront, weil die westlichen Besatzungsmächte ihre Staatsgründungspläne ausdrücklich ohne Berlin umsetzen wollten, da die Hauptstadt unter gemeinsamer Vier-Mächte-Verwaltung stand. Auch sonst zeigten die Ministerpräsidenten eine widerständische Haltung. Zwar nahmen sie nach intensiver Beratung in ihren Koblenzer Beschlüssen die Frankfurter Dokumente grundsätzlich an, beharrten jedoch darauf, keinen formalen Staat gründen zu wollen, sondern lediglich ein Provisorium, das demzufolge auch keine Verfassung, sondern allenfalls ein „Grundgesetz“ erhalten solle. Dieses solle auch nicht durch eine verfassunggebende Versammlung, sondern von einem Parlamentarischen Rat beraten werden. 

Nach einigen Verstimmungen bei den Westmächten einigten sich die Vertreter der Länder der Trizone mit den Besatzungsmächten letztlich auf der Niederwaldkonferenz am 26. Juli 1948 auf die „Organisation der drei Zonen auf der Basis der Londoner Übereinkommen“. Auf dieser Basis nahm dann ab dem 1. September der Parlamentarische Rat seine Arbeit auf. 

Ursachen der Spaltung 

Wie eingangs geschildert, erfolgten die maßgeblichen Schritte zur Bildung eines westdeutschen Separatstaates – und somit zur Teilung des deutschen Vaterlandes – unstrittig von den westlichen Alliierten. Doch ob diese auch ursächlich für die Spaltung verantwortlich waren, kann getrost hinterfragt werden. 

Denn nur wenige Wochen nach der Verabschiedung des Potsdamer Protokolls der alliierten Siegermächte, in dem diese die gemeinsame Verwaltung Deutschlands vereinbart hatten, begann die Sowjetische Militäradministration mit der konsequenten Umstrukturierung ihrer Zone nach sowjetischem Vorbild. Von Herbst 1945 an wurden durch die sogenannte Bodenreform 7160 landwirtschaftliche Betriebe mit einer Größe von über 100 Hektar und 4537 Agrarbetriebe mit einer Größe von unter 100 Hektar sowie in der Industriereform rund 10.000 Industriebetriebe sowie Handels- und Dienstleistungsunternehmen entschädigungslos enteignet. Damit war binnen weniger Tage die gewachsene ökonomische und soziale Struktur der historischen Mitte Deutschlands zerschlagen. 

Parallel dazu wurden auch die gerade erst wiederentstandenen politischen Parteien unter Druck gesetzt. Schon vor den Landtagswahlen vom 20. Oktober 1946, die noch als einigermaßen frei gelten, war die stärkste politische Kraft, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), aus der Zwangsvereinigung von SPD und KPD entstanden. 

Somit war schon lange vor den westlichen Schritten zur Schaffung eines westdeutschen Teilstaates klar, dass mit der östlichen Besatzungsmacht buchstäblich kein Staat zu machen war. Insofern können die Schritte des Westens – Gründung der Bi- und Trizone, einseitige Währungsreform, Frankfurter Dokumente und Gründung des Parlamentarischen Rats – auch als Versuch gedeutet werden, wenigstens das zusammenzufügen, was weltanschaulich und ökonomisch zusammenpasste. Auch wenn dieser Weg zur Einheit für die Deutschen zu einer jahrzehntelangen Spaltung ihres Landes führte. 

So oder so ist klar, dass die Handlungsspielräume der Deutschen marginal waren. Gleichwohl waren ihre gewählten Vertreter alles andere als willfährige Helfer der Alliierten. In den Verhandlungen des Jahres 1948 setzten sich die Ministerpräsidenten insbesondere mit dem Ansinnen durch, lediglich ein Provisorium auf den Weg zu bringen. 

Und als dieses Provisorium im Jahr darauf mit dem Grundgesetz ein Organisationsstatut erhielt, hielten die Mitglieder des Parlamentarischen Rats noch vor dem eigentlichen Text in der Präambel fest, dass sie „von dem Willen beseelt“ seien, die „nationale und staatliche Einheit zu wahren“. Sie hielten fest, „auch für jene Deutschen gehandelt“ zu haben, „denen mitzuwirken versagt war“. Und sie betonten: „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“