18.05.2024

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Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Östlich von Oder und Neiße / Motto „Rübezahl“ dank einer Mongolin / Beim Straßentheaterfestival Via Thea übernimmt der Herr der Berge dieses Jahr das Zepter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Östlich von Oder und Neiße
Motto „Rübezahl“ dank einer Mongolin
Beim Straßentheaterfestival Via Thea übernimmt der Herr der Berge dieses Jahr das Zepter
Chris W. Wagner

Vom 6. bis zum 8. Juli kommen Schlesienfans beiderseits des Grenzflusses Lausitzer Neiße auf ihre Kosten. Wer Aktion, Schrilles, Gaukler und Schausteller mag, für den ist das Internationale Straßentheaterfestival Via Thea genau das Richtige. Seit 1995 ist es fester Bestandteil im Veranstaltungskalender der geteilten Stadt Görlitz.

Die Idee hatten sich die Görlitzer aus dem benachbarten Hirschberg [Jelenia Góra] abgeschaut. Dort feierte das Vorbild 1982 seine Geburtsstunde. Eine Zusammenarbeit mit dem regionalen Kulturzentrum Hirschberg bestand bereits, „und es gab eine polnische Theaterpädagogin, die damals in Görlitz arbeitete. Mein damaliger Kulturamtsleiter, Stefan Waldau, kannte sie und sagte, ‚Straßentheater, ja das machen wir‘“, erinnert sich Christiane Hoffmann, die Leiterin des Festivals.

Für sie als Görlitzerin sei es wichtig, dass im 25. Jubiläumsjahr der Proklamation der Europastadt das Verbindende des deutschen und des polnischen Görlitz hervorgehoben wird: „Wir, Deutsche und Polen, arbeiten von Anfang an zusammen und wollen dieses Jahr das Schlesische in den Fokus rücken.“ Sie erklärt, dass das barrierefreie Straßentheater alle Gruppen versammele. Auf diese Weise könne man anregen, sich Gedanken zu machen, „was Schlesien heute für uns bedeutet“. Hoffmann lacht, als sie von der Ideensammelphase „Was ist typisch schlesisch, und womit kann man die Leute packen“ erzählt, in der „ausgerechnet eine mongolische Studentin sagte: Rübezahl!“ Tatsächlich ist der schlesische Berggeist das diesjährige Motto geworden.

Studenten kennen Rübezahl kaum 

Die Ernüchterung kam dann jedoch, als sich herausstellte, dass die deutschen Studenten kaum noch etwas über ihn wussten. So wurde gelesen, recherchiert, Filme geguckt. Besonders der neueste Film „Rübezahls Schatz“ von Stefan Bühling mit Sabin Tambrea in der Titelrolle regte die jungen Geister im Organisationsteam an. „Diese Rübezahl-Figur erinnert mich an Tolkiens Gandalf“, sagt Hoffmann. 

Und tatsächlich, berichtet sie, soll der britische Fantasy-Autor J. R. R. Tolkien eine Postkarte aus dem Riesengebirge besessen haben, die Rübezahl zeigt. „Deswegen denken wir, dass der Gandalf eigentlich die Weiterentwicklung von Rübezahl ist. Das ist unsere These im Büro, mit der wir zwar nicht hausieren gehen, aber es war schön zu entdecken, wie sich auch das Bild vom Berggeist in der Graphik, in der Zeichnung veränderte“, so Hoffmann.

Mit dem angeeigneten Wissen wurde ein Künstler betraut, erläutert Hoffmann: „Thomas Hauck ist ein Schriftsteller, Journalist, Zeichner, Maler und Kinderbuchautor. Er hat die ‚Sammlung‘ zugeschickt bekommen, muss sich in Rübezahl einlesen und wird während des Festivals drei Tage lang Rübezahlgeschichten sammeln.“ Dazu brauche der Künstler lediglich einen Tisch, Papier, Stifte, Malutensilien, und schon erdichtet er Neues von Rübezahl. Er schreibt an allen drei Tagen mit Kindern eine Fortsetzungsgeschichte über den „Herrn der Berge“.

Auch das Schlesische Museum zu Görlitz ist dabei und nimmt Kinder zwischen fünf und zehn Jahren auf eine Reise in die Welt des launischen Berggeistes mit. Dort erfahren die Kleinen, wo der Herr der Berge herkommt, was er so in seinem Reich treibt und warum man ihn lieber nicht grundlos rufen sollte. Für Erwachsene gibt es seitens des Museums Rübezahl-Führungen. Das Kulturhaus – die einstige Oberlausitzer Ruhmeshalle – auf polnischer Seite präsentiert während des Via Theas eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen zum Thema Rübezahl.

Darüber freut sich Hoffmann, denn das Thema Schlesien war für sie seit der Kindheit präsent: „Meine Vorfahren kommen aus einem schlesischen Dorf hinter Breslau. Dort sind wir regelmäßig hingefahren, haben dort den Pfarrer besucht und waren auf dem Friedhof. Meine geliebte Tante hatte ihre Erinnerungen an Schlesien – auch die Flucht nach Herrnhut – aufgeschrieben, und ich durfte sie lesen. Daher weiß ich viel. Die schlesische Geschichte hat sich für mich so durchgezogen. Deshalb war ich immer bemüht, mehr zu erfahren, und es begleitet mich. Es ist ja irgendwie meine Geschichte, es ist eine Herzenssache.“