18.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Erinnerungen / Sprockholz zuhauf / Fast vergessene Namen und Begriffe aus Pommern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Erinnerungen
Sprockholz zuhauf
Fast vergessene Namen und Begriffe aus Pommern
Brigitte Klesczewski

Der Ausdruck Sprockholz für dürre, feine Zweige zum Feueranmachen war den Stettin-Hökendorfern durch die Buchheidesage „Der Spuk beim Sprockenkreuz“ bekannt. Auf dem Wanderweg durch die Buchheide von Stettin-Hökendorf nach Kolow gibt es einen Platz, der Sprockenkreuz genannt wird. An dieser Stelle wurde vor mehreren hundert Jahren ein Handelsmann erschlagen. 

Seit dieser Zeit, so wird erzählt, pflegt jeder Vorübergehende einen Strauch oder Zweig auf die Stelle zu legen. Mancher tut es auch mit zwei Zweigen über Kreuz. In der Regel erblickt der Herankommende an dieser Stelle einen stattlichen Reisighaufen. So ist der Name Sprockenkreuz entstanden, denn Sprock bedeutet Reisig.

In der Umgebung des Sprockenkreuzes soll es manchmal auch spuken. So hat ein Wanderer hier einen alten Mann gesehen. Er grüßte ihn freundlich. Sein Gruß wurde aber nicht erwidert. Als der Wanderer fragte: „Warum dankst du mir nicht“, sprang ihm der Alte auf den Rücken und ließ nicht von ihm bis kurz vor Kolow ab, wo der freundliche Mann dann schweißgebadet ankam. 

Die Hökendorfer behaupteten noch später nach dem Krieg bei Pommerntreffen, dass die Wanderer hier so manchem armen Weib zum nötigen Kleinholz verholfen hätten. In einer Kiepe brachte sie das Sprockholz nach Hause. Bis zu 40 Kilogramm konnte so eine bepackte Kiepe wiegen. Von einer Pommerin aus der Umgebung von Bütow habe ich erfahren, dass es dort auch ein Spukkreuz gegeben hätte, wo niemand vergaß, Zweige auf die Stelle zu legen. 

Meine Mutter war schon mit einigen Hökendorfern Anfang Juni 1945 in den Heimatort jenseits der Oder zurückgekehrt, den sie dann endgültig Ende September verließ, weil sie befürchtete, für den Winter nicht genügend Heizmaterial zu finden, da es schon recht mühselig war, genügend Sprockholz für den Herd zum Kochen einer Mahlzeit zu finden. In der unmittelbaren Nachkriegszeit bis etwa 1948/49 hing die schwierige Versorgungsfrage hauptsächlich von den Frauen ab. Immer wieder mussten sie damals, jetzt jedoch als Flüchtlinge aus Pommern, unterstützt von ihren Kindern, Sprockholz in Schleswig-Holstein aus den zahlreichen Knicks oder aus den Wäldern für die Kochhexe organisieren.

Als ich im Mai 2023 mit meinem Bruder und seiner Frau für eine Woche in Zinnowitz auf Usedom weilte, erzählte er vom letzten, sehr kalten Winter 1944/45. Zu dieser Zeit war er in der Kinderlandverschickung (KLV) als Schüler des Stettiner Marienstifts-Gymnasiums auf Usedom untergebracht. Sie wohnten in Bansin im Haus Runge, das nur im Keller mit einem Kanonenofen beheizbar war. Hier fand auch der Unterricht statt. Die Lehrer schickten die Schüler zum Sprockholzsammeln in die nahen Küstenwälder aus. Erst als die Schülerzahl 1945 kleiner geworden war, weil viele Schüler von ihren Müttern abgeholt worden waren, konnten sie in das Haus Seehof umziehen, wo besser geheizt werden konnte. 

In jener Zeit hatten sie immer noch auf die „Wunderwaffe“ gewartet, die im Zweiten Weltkrieg eine Kriegswende bringen sollte. Vom Bansiner Strand aus konnten sie viele Schiffe vor Swinemünde beobachten. In seiner Erinnerung blieb auch, dass die Lehrer befürchteten, mit den restlichen, von den Eltern nicht abgeholten Schülern nach Westen flüchten zu müssen.