18.05.2024

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Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Biographie / Ein begnadeter Erfinder / Alfred Schmidt zeichnet den Lebensweg des deutschen Ingenieurs Helmut Gröttrup nach, der an der Entwicklung der „Wunderwaffe“ V2 mitwirkte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Biographie
Ein begnadeter Erfinder
Alfred Schmidt zeichnet den Lebensweg des deutschen Ingenieurs Helmut Gröttrup nach, der an der Entwicklung der „Wunderwaffe“ V2 mitwirkte
Wolfgang Kaufmann

Biographische Romane sind Gratwanderungen: Entweder obsiegt die künstlerische Freiheit über die Realität oder das Ganze kommt zu trocken daher. Eine Ausnahme hiervon bildet das Buch des Elek­trotechnikers Alfred Schmidt „Gröttrup und das Universum der erfinderischen Zwerge“, wobei das Buch mit dem etwas merkwürdig anmutenden Titel an Bertolt Brechts „Leben des Galilei“ angelehnt ist.

Der Autor schildert das Leben und die Leistungen des deutschen Ingenieurs Helmut Gröttrup (1916–1981). Dieser arbeitete ab Ende 1939 als Assistent des Raumfahrtpioniers Wernher von Braun und entwickelte die Lenk- und Steuersysteme der Großrakete Aggregat 4, die ab 1944 als vermeintliche „Wunderwaffe“ V2 zum Einsatz kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Gröttrup zwangsweise zur Mitarbeit an dem sowjetischen Raketenprojekt verpflichtet und verbrachte die Jahre von 1946 bis 1953 in Kaliningrad (heute Koroljow) in der Oblast Moskau sowie auf der Insel Gorodomlja im Seligersee. Hier half er mit, den Grundstein für die späteren Raumfahrterfolge der UdSSR zu legen.

Im Dezember 1953 floh der Geheimnisträger von Ost-Berlin nach Köln und wandte sich der Informatik zu. Er konstruierte unter anderem die weltweit erste kommerzielle Datenverarbeitungsanlage für den Quelle-Versand sowie elektrisch kodierte Zugangssysteme. 

1967 meldete der Ingenieur einen „nachahmungssicheren Identifizierungsschalter“ auf Basis eines monolithisch integrierten Halbleiters zum Patent an. Damit erfand er faktisch die Chipkarte, die aus unserer heutigen Welt nicht mehr wegzudenken ist. Eine weitere technische Pionierleistung von Gröttrup war die Entwicklung des ersten automatischen Banknotenbearbeitungssystems, das 1977 bei der Deutschen Bundesbank eingeführt und nachfolgend in 67 Staaten verkauft wurde.

Schmidt ist es gelungen, den Lebensweg des begnadeten Technikers in allen Details und fachlich kompetent zu rekonstruieren, wobei ihm die von der Familie Gröttrup übergebenen persönliche Dokumente halfen. Kritisch anzumerken wäre lediglich, dass manche Dialoge etwas hölzern wirken, vor allem, wenn es um politische Themen geht. 

Gleichzeitig merkt man dem Autor seine Sympathien für die Sozialdemokratie und seine Abneigung gegen die USA sehr deutlich an. Aber ungeachtet dessen: Ein informativeres Buch über Gröttrup gibt es derzeit nicht und wird es wohl auch in Zukunft nicht geben. 

Alfred Schmidt: Gröttrup und das Universum der erfinderischen Zwerge“, STROUX edition, München 2022, broschiert, 354 Seiten, 24 Euro