18.05.2024

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Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Mailand in den 70ern / Wenn Schüler Politik machen / Anfang der 70er Jahre wirken in Italien die 68er Studentenunruhen nach – In Nicoletta Giampietros Roman „Mit geballter Faust“ eskaliert die Situation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Mailand in den 70ern
Wenn Schüler Politik machen
Anfang der 70er Jahre wirken in Italien die 68er Studentenunruhen nach – In Nicoletta Giampietros Roman „Mit geballter Faust“ eskaliert die Situation
Manuela Rosenthal-Kappi

Nicoletta Giampietros Roman „Mit geballter Faust“ spielt im Mailand der 1970er Jahre, als die Auswirkungen der Studentenrevolten an italienischen Schulen nachwirken. 

Die aus bürgerlichem Haus stammende Romanheldin Guilia begeistert sich zunächst für die Demonstrationen und schließt sich einer linken Gruppe an ihrer Schule an, in der ihre ältere Schwester Gabriella mitmischt. Sie glauben, für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Eine Zeit lang können die Schwestern das vertraute Verhältnis ihrer Kindheit aufrechterhalten, doch als Gabriella sich einer radikalen linken Gruppe anschließt und sich an deren Gewaltakten gegen vermeintliche Faschisten beteiligt, ändert sich das Verhältnis drastisch.

Mit Michele, den beide Heranwachsende aus Urlaubstagen ihrer Kindheit kennen, flechtet die Autorin einen selbstbewussten Gegenspieler in die Handlung ein. Er hinterfragt die irrationalen Positionen der Linken, deren Dogmatismus jedoch keine anderen Meinungen zulässt. In vielem erinnern die beschriebenen Gruppen an die heutigen Weltverbesserer der Letzten Generation, die ihren Ansichten mit terroristischen Aktionen Ausdruck verleihen wollen. 

Die Romanheldin Guilia gerät immer mehr zwischen die Fronten, als Carmela, eine Vertreterin der Unterschicht, in die Klasse des Gymnasiums aufgenommen wird. Guilia und Michele freunden sich mit dem schüchternen Mädchen an, und schon kurz darauf werden sie ein unzertrennliches Trio, das sich gegenseitig in allen Lagen unterstützt. Gleichzeitig entfernen sich die beiden Schwestern immer mehr voneinander. Guilia leidet unter dem ständigen Streit zwischen ihrer Schwester und der Mutter, die als Frauenärztin sehr eingespannt ist und die deshalb die Radikalisierung ihrer Ältesten nicht bemerkt hat. 

Als Michele, der sich einer konservativen Gruppe angeschlossen hat, einem Angriff von Linksradikalen zum Opfer fällt, gibt Guilia die Loyalität gegenüber ihrer Schwester auf, indem sie sich ihren Eltern anvertraut und von Gabriellas Beteiligung an Gewaltexzessen berichtet. Schließlich verhindert sie damit Schlimmeres und schafft es, ihre Schwester aus den Fängen der Radikalen zu retten.

Giampietro erzählt eine fesselnde Geschichte, in der Freundschaft und Liebe am Ende siegen in einem Alltag, der von politischer Eskalation geprägt ist. Die Einbettung historischer Ereignisse, an denen die Handlung festgemacht ist, hätte dem Roman gutgetan.

Nicoletta Giampietro: „Mit geballter Faust“, Piper Verlag, München 2022, gebunden, 382 Seiten, 24 Euro