18.05.2024

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Folge 26-23 vom 30. Juni 2023 / Der Wochenrückblick / Den Vertrag gebrochen / Was die Sonneberger wohl bewogen haben mag, und was dort gegen die Wand gefahren ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-23 vom 30. Juni 2023

Der Wochenrückblick
Den Vertrag gebrochen
Was die Sonneberger wohl bewogen haben mag, und was dort gegen die Wand gefahren ist
Hans Heckel

Man hätte den Leuten eben nicht pausenlos einbläuen sollen, dass sie gefälligst „aus der Geschichte lernen“ sollen. Denn es gibt möglicherweise noch Deutsche, deren Erinnerung nicht vollkommen auf das eingeschnurrt ist, was ihnen von den meisten Medien und der Politik immerfort vorgesetzt wird hinsichtlich der „Geschichte“. Genauer: Es leben Bürger in Deutschland, die nicht nur die NS-Verbrechen im Kopf tragen, wenn sie sich ans „Lernen“ setzen, sondern auch die Gefahr von der anderen Seite. Besonders in dem Teil der Republik, in dem sich diese andere Gefahr viereinhalb Jahrzehnte lang austoben konnte.

Wir reden natürlich von Sonneberg, was denn sonst? In den ländlichen Regionen Deutschlands ist ja der Altersdurchschnitt fast überall recht hoch, also dürften sich viele Bewohner des idyllischen Kreises noch an die Zeit der DDR erinnern. In der südlichen Hälfte war der Kreis von drei Seiten eingekeilt durch die damalige Zonengrenze. So durften viele Sonneberger neben den allgemeinen Segnungen des SED-Regimes zudem noch die Besonderheiten der Sperrgebietsregelungen genießen, welche die Einwohner des unmittelbaren Grenzgebiets zusätzlich in Schach hielt. Das mag eine gesteigerte Sensibilität gegenüber dem linken Rand des politischen Spektrums hinterlassen haben. 

Nun also sahen sie sich an der Urne einer Einheitsfront von den Kommunisten bis zur CDU gegenüber. Die Erinnerung an die „Nationale Front“ der DDR und ans „Faltengehen“ bei Scheinwahlen musste da wohl niemand erst noch wachküssen. Sie flog einer Mehrheit der Sonneberger Wähler von selbst um die Ohren. Nur dass es im Unterschied zu früher neben der Möglichkeit des „Faltens“ jetzt noch einen Gegenvorschlag gab. Fragen?

Ach, Sonneberg! Zweikleinster Landkreis Deutschlands, lesen wir. So ein Landrat hat doch sowieso fast nichts zu sagen, hören wir. Und doch sind die Etablierten außer Rand und Band und schlagen verbal um sich. Passt das zusammen? Eigentlich nicht. Und doch könnte die Panik einen guten Grund haben: 

Es hat sich nämlich etwas geändert. Geärgert hat sich eine wachsende Zahl von Deutschen schon seit einer ganzen Weile. Man hat ihnen ihre erfolgreiche Währung genommen, sie für die Schulden von sonst wem im In- und Ausland in Regress genommen, sie mit rekordhohen Steuern geplündert, derweil von der Bahn über die Schulen, die Straßen, das Internet oder die innere Sicherheit alles immer schlechter wurde. Man hat ihnen massenhaft neue Nachbarn aus fernen Ländern ins Dorf gepackt, ohne sie zu fragen, ob sie das wollen, sie dabei noch von früh bis spät mit Verdächtigungen (Sind Sie etwa Rassist?) und Belehrungen gepiesackt – ach, und was noch alles, machen Sie mit der Liste gern selber weiter. 

Doch viele Deutsche hat das nicht wirklich aus der Fassung gebracht. Denn zu Hause stand das traute Heim, das Auto und die Sicherheit, immer noch jedes Jahr schön verreisen und sich auch sonst noch so dies und das an „Luxus“ leisten zu können – „Irgendwie ziemlicher Mist, den die da in Berlin bauen, aber uns geht’s ja noch gut, trotz allem“, beruhigte sich der genervte Mittelschichtler. Aber genau das ändert sich gerade. Heizhammer und Wärmedämmverordnung, Verbrennerverbot oder „Flug-, Fleisch- und Grillscham“ – auf der ganzen Breite der Front scheint die etablierte Politik jenes Refugium unter Feuer nehmen zu wollen, in dem sich die geplagten Steuerzahlerseele bislang noch halbwegs sicher fühlte vor den Zumutungen „von denen da oben“.

Bürger kündigen die Gefolgschaft

Kein Wunder also, dass es plötzlich heikel wird, weshalb das kleine Sonneberg auch einen solchen Schrecken auslöst. Jedes politische System schließt mit seinem Volk eine Art Gesellschaftsvertrag ab, das gilt sogar für Diktaturen. In den kommunistischen Staaten lautete der Vertrag: Die Bürger verzichten auf ihre bürgerlichen Freiheits- und Mitbestimmungsrechte, dafür garantiert ihnen der Staat soziale Sicherheit und ein stabiles Auskommen, wenn auch auf bescheidenem Niveau. Sobald dieser Vertrag nicht mehr zu halten war, krachte es, ob 1953 in der DDR („Normenerhöhung“, was ganz platt gesagt hieß: Weniger Geld für mehr Arbeit) oder in Polen 1980, wo es am Anfang auch bloß um die materiellen Arbeits- und Lebensbedingungen von Werftarbeitern ging. Danach erst weitete sich die Rebellion zu einer politischen Revolution mit „Vollprogramm“ aus. Bis schließlich 1989 alles zusammenfiel.

Und die Bundesrepublik? Die hat Freiheit, Wohlstand und Stabilität versprochen, als Gegenleistung für harte Arbeit und Loyalität zum Staat. Hat jahrzehntelang blendend funktioniert. Während aber die Realsozialismen unter den Unzulänglichkeit ihrer Wirtschaftsordnungen kollabierten und daher ihr Versprechen nicht mehr halten konnten, greifen einflussreiche Teile der politischen Elite Freiheit, Wohlstand und Stabilität scheinbar oder wirklich mit Absicht an. Grünlinke Einflüsterer schwärmen von „Degrowth“ (also Schrumpfung) der Volkswirtschaft, vom Ende des Eigenheims und des Individualverkehrs und einem dauerhaften Leben nach den Mustern der Lockdown-Phase. Und sie denken gar nicht daran, im öffentlichen Diskurs andere Meinungen (Freiheit?) auch nur zuzulassen, geschweige denn anzuhören.

Manchmal hat man schon den Eindruck, als hassten die Vordenker dieser neuen Politik den vermeintlich bräsigen Wohlstandsbürger regelrecht und freuten sich diebisch darüber, wie sie den Durchschnittsdeutschen Angst machen können, indem sie ihnen damit drohen, ihnen den Teppich wegzuziehen. 

Aber wie reagieren die Bürger darauf? Ein stetig wachsender Teil von ihnen scheint den Bruch des alten Gesellschaftsvertrages durch die Politik zu spüren und reagiert mit kalter Schulter oder gar offenem Protest. Die Protestler verabschieden sich ihrerseits aus den Vertragsverpflichtungen und kündigen der politischen Führung des Landes die lange Zeit so stabile Gefolgschaft. Damit hatten die Vertragsbrecher von „da oben“ offenbar nicht gerechnet.

Welche Gemütslage die politische Elite ob dieses Schrecks erfasst hat, brachte PAZ-Autor Josef Kraus in einem Beitrag für „Tichys Einblick“ in genialer Weise auf den Begriff: Sie leide unter „Demophobie“, also Angst (Phobie) vor dem Volk (Demos), und antworte darauf ihrerseits mit einer Art „Phobokratie“, als der Herrschaft per Angstmacherei. Angst vor dem Klima oder dem „Rechtsruck“ beispielsweise, mit welcher das Volk auf Linie gezwungen werden solle. Ein Kampfbegriff gegen den furchtlosen Bürger, der sich von diesem Theater nicht einfangen lässt, ist dabei längst gefunden: Sie nennen ihn „Leugner“ – von was auch immer. 

Die Mehrheit der Sonneberger Wähler hat die Phobokraten am Sonntag mit Karacho gegen die Wand fahren lassen. Mal sehen, wie die Verunfallten diese Erfahrung verarbeiten. Erste wütende Reaktionen aus dem „Establishment“ lassen nicht auf allzu große Lernfortschritte schließen.