Was muss eigentlich noch geschehen, damit die europäischen Eliten ihren Irrweg eingestehen – und endlich beenden? Ihren Irrweg hin zu einer offen, ja grenzenlosen Zuwanderungsgesellschaft, in der das Gelingen der Integration angeblich allein von der Toleranz derjenigen, „die schon länger hier leben“ (Angela Merkel), abhängt?
Unser Nachbarland Frankreich hat eine Woche mit Unruhen hinter sich, die man nur noch als Bürgerkrieg bezeichnen kann. Nach der Erschießung des 17-jährigen Nahel Merzouk am Morgen des 27. Juni in Nanterre bei Paris kam es binnen kürzester Zeit zu landesweiten Ausschreitungen in hunderten Städten überwiegend männlicher Zuwandererkinder sowohl gegen Einrichtungen der Französischen Republik als auch gegen unbeteiligte Zivilisten. Allein in der ersten Nacht meldeten die Behörden über 1350 abgefackelte Autos und doppelt so viele Brände auf den Straßen. Mehr als 200 Geschäfte wurden geplündert und über 300 Bankfilialen verwüstet. Die Schadenshöhe wird auf über eine Milliarde Euro geschätzt.
Dass sich zu Beginn dieser Woche die Unruhen überhaupt beruhigten, ist nur dem Einsatz von über 45.000 (!) Polizisten zu verdanken, von denen Hunderte schwer verletzt wurden. Das ist eine Armeestärke, die belegt, dass Metaphern wie die vom „Krieg in unseren Städten“ (Udo Ulfkotte) oder vom „molekularen Bürgerkrieg“ (Hans Magnus Enzensberger) keineswegs übertrieben sind.
Der Kanzler duckt sich weg
Und Deutschland? Während der französische Präsident Macron tagelang um die Wiedererlangung der öffentlichen Ordnung in seinem Land kämpfte, wiegelte deutsche Bundeskanzler Scholz im ARD-Sommerinterview ab. Zwar zeigte er sich besorgt über die Lage im befreundeten Nachbarland, doch gab er sich zugleich zuversichtlich, dass derlei hierzulande nicht zu erwarten ist.
Wirklich? Erst Ende Juni hielt ein Bandenkrieg zwischen syrischen und libanesischen Clans das Ruhrgebiet in Atem. Ausgelöst durch eine Rauferei unter Kindern in Castrop-Rauxel gingen die Gruppen tagelang mit Baseballschlägern, Dachlatten und Messern aufeinander los. Anders als in Frankreich wurde die Autorität des Staates nicht etwa durch die Polizei wiederhergestellt, sondern ein Waffenstillstand durch einen muslimischen „Friedensrichter“ vermittelt. Was letztlich das Gegenteil von Wiederherstellung staatlicher Autorität bedeutet.
Die Clan-Kämpfe im Ruhrgebiet sind keineswegs ein Einzelfall. Zur Jahreswende erschütterten Krawalle in Berlin-Kreuzberg, bei denen sogar Feuerlöscher auf Rettungswagen geworfen wurden, die Republik. Vor zwei Jahren erlebte Stuttgart eine rauschende Krawallnacht, bei denen die Täter ebenfalls aus dem Zuwanderermilieu kamen und von der Polizei als „Party- und Eventszene“ verniedlicht wurden. Auf der Kölner Domplatte demonstrierten zu Jahresbeginn 2016 hunderte Nordafrikaner einheimischen Frauen gegenüber die neue Bedeutung des Wortes „antanzen“. Und in Hamburg terrorisiert eine Jugendbande aus Afghanen, Pakistanern und Iranern regelmäßig den Jungfernstieg.
Dass aus diesem Milieu weit mehr entstehen kann als „nur“ ein paar Tumulte, beweist die kaum noch zu überschauende Zahl an Terroranschlägen überall in Europa: Ansbach, Barcelona, Berlin, Brokstedt, Brüssel, Illerkirchberg, London, Manchester, Nizza, Wien, Würzburg und immer wieder Paris stehen für eine Verbrechensform, die dem Staat längst entglitten ist.
Warum der Kanzler angesichts dieser unübersehbaren Entwicklung die Zuversicht verbreitet, es könne bei uns nicht zu Zuständen wie in Frankreich kommen, dürfte sein Geheimnis bleiben. Erinnert sei jedoch daran, dass es sich um den gleichen Olaf Scholz handelt, der 2017 als Bürgermeister beim G20-Gipfel in Hamburg zu den Warnungen vor linksradikalen Krawallen erklärte, dass das Treffen der Regierungschefs der größten Wirtschaftsnationen so harmonisch ablaufen werde wie ein Hafengeburtstag.
Das Ende eines Irrwegs
Doch zurück zu den aktuellen Vorfällen: Dass diese Entwicklung keineswegs ein Naturgesetz, quasi eine Folge der Globalisierung und der mit ihr verbundenen Mobilisierung ist, zeigt der Blick zu unseren ostmitteleuropäischen Nachbarn. In Polen, Ungarn oder der Tschechischen Republik gibt es keine Ausschreitungen wie in Frankreich, keine Clan-Rivalitäten wie im Ruhrgebiet, ja noch nicht einmal Anschläge von einzelnen Attentätern.
Der banale Grund: Diese Länder behalten sich vor zu prüfen, wen sie ins Haus lassen wollen – und wen nicht. Um so befremdlicher, dass ihnen die Verfechter der Einwanderungsgesellschaft im Westen immer wieder Vorwürfe entgegenschleudern, sie seien fremdenfeindlich oder gar nationalistisch.
Die seit Jahrzehnten positive, geradezu naive Einstellung der westlichen europäischen Staaten zur Migration fußt unter anderem auf den Erfahrungen der jüngeren Geschichte. Der übersteigerte Nationalismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts führte insbesondere in linken und liberalen Kreisen zu der Überzeugung, dass nicht nur Nationalismus, sondern Nationalbewusstsein generell die Gefahr von Chauvinismus und neuem Unheil in sich berge. Heute müssen diese Kreise jedoch erkennen, dass auch das Gegenteil – die anationale offene Zuwanderungsgesellschaft – in die Katastrophe führt. Nur dass Krieg hier nicht mehr zwischen Nationen ausgefochten wird, sondern zwischen Stammesgruppen und dem Staat oder zwischen rivalisierenden Gruppen untereinander.
Dass es höchste Zeit ist, das Experiment zu stoppen, ist nach den vergangenen Tagen unbestreitbar. Die Frage ist, ob sich die deutsche und europäische Gesellschaft aufrafft, das Experiment aus eigener Kraft zu beenden – oder ob dieses Experiment unsere Gesellschaft beendet.


