11.11.2025

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Folge 27-23 vom 07. Juli 2023 / Nachteilsausgleich / Wenn Rechtschreibung keine Rolle mehr spielt / Bundesverfassungsgericht soll Legasthenievermerke in Zeugnissen kippen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-23 vom 07. Juli 2023

Nachteilsausgleich
Wenn Rechtschreibung keine Rolle mehr spielt
Bundesverfassungsgericht soll Legasthenievermerke in Zeugnissen kippen
Bernhard Knapstein

Während an den Universitäten Professoren über die abnehmende Studienreife der Abiturienten klagen, ploppt am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gerade eine Klage bayerischer Abiturienten auf, die sich gegen eine sie belastende Formulierung im Abiturzeugnis zur Wehr setzen. Betroffene Abiturienten des Jahrgangs 2010 klagen sich seit Jahren durch die Instanzen gegen die Zeugnisformulierung „Aufgrund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie wurden Rechtschreibleistungen nicht bewertet.“ Zuletzt hatte das Bundesverwaltungsgericht die Klage abgewiesen – jetzt soll das höchste deutsche Gericht entscheiden.

Die Kläger sehen sich mit dem Vermerk stigmatisiert. Man werde angesichts des Hinweises auf die Erkrankung in Bewerbungsverfahren sofort aussortiert.

Legasthenie ist als Behinderung anerkannt. Betroffene erhalten an Schulen aufgrund einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung bereits jetzt schon Vorteile. So hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, Legasthenie habe nichts mit Begabung oder Intelligenz zu tun, nur das Lesen und Schreiben dauere eben länger. Betroffene bekommen mehr Zeit als ihre Schulkameraden in den Prüfungen.

Der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sieht in den Zeugnisvermerken keine Diskriminierung. Ihm geht es um die Vergleichbarkeit der Zeugnisse und der Aussagekraft der Bewertungen. Im Rahmen einer ersten mündlichen Verhandlung in Karlsruhe wies der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, darauf hin, dass Legastheniker meist auf den Vorteilsausgleich verzichteten und den leichten Punktabzug für Rechtschreibung hinnähmen. Das seien vor allem Schüler, die eine Ausbildung oder Anstellung anstrebten. Wer hingegen ein Studium anstrebe, bei dem es auf die Note ankomme, vielleicht ein Numerus Clausus über die Zulassung zum Studium entscheide, der wähle meist den Nachteilsausgleich – und den Vermerk im Zeugnis.

Völlig irrelevant ist das Thema nicht, denn knapp zwei Prozent der bayerischen Gymnasiasten gelten als Legastheniker, das entspricht rund 10.000 Schülern. Zudem haben vor allem in norddeutschen Bundesländern in schwere Kritik geratene pädagogische Grundschulexperimente wie die „Schreib-wie-du-hörst“-Didaktik, in der Rechtschreibung zunächst gar keine Rolle spielt, und auch der Corona-bedingte Digitalunterricht zu einem Zuwachs an anerkannten Lese-Rechtschreib-Schwächen (LRS) geführt. LRS- und Dyskalkuliezentren haben eine Zunahme bei den Förderbedarfen um 40 Prozent festgestellt.

Sollte das Bundesverfassungsgericht die Zeugnisvermerke als diskriminierend kippen, droht ein weiterer Wertverfall des Abiturs und sogar der universitären Abschlüsse, befürchten Kritiker. Einerseits sei Rechtschreibung weder im Handwerk noch in Naturwissenschaften wichtig, andererseits – heißt es entnervt hinter vorgehaltener Hand – könnte ein stattgebendes Urteil in Karlsruhe zu einer Ausweitung des Nachteilsausgleichs von schulischen auf akademische Prüfungen führen, Legastheniker am Ende sogar Deutsch unterrichten.


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