Seit Wochen steigen die Umfragewerte für die AfD. Aktuelle Zahlen sehen die erst vor zehn Jahren gegründete Partei bereits nach der Union auf Rang zwei. Nachdem nun in Thüringen erstmals ein Kandidat mit AfD-Parteibuch zu einem Landrat gewählt wurde, liegen bei vielen Politikern anderer Parteien die Nerven blank. Neben Forderungen von CDU-Politikern aus Brandenburg und Sachsen, sich inhaltlich mit der AfD auseinanderzusetzen, kommen auch Vorstöße, die der Demokratie Schaden zufügen können.
Obwohl verfassungsrechtlich die Hürden sehr hoch sind, wurde unter anderem die Forderung nach einem Parteiverbot wieder aus der Schublade geholt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) deutete am 20. Juni am Rande einer Pressekonferenz an, dass es aus ihrer Sicht demnächst ein Verbotsverfahren gegen die AfD geben könnte. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagte gegenüber dem Sender n-tv zwar, nach seinem Ermessen wäre es „momentan zielführender, die AfD politisch zu stellen“. Der SPD-Politiker ergänzte allerdings, ein Parteiverbot könne man jedoch nicht ausschließen.
„Polarisierung wie in Amerika“
Wesentlich skeptischer äußerte sich Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann: „Ein Verbot der AfD würde der Demokratie nicht guttun.“ Redmann warb stattdessen dafür, die CDU solle leidenschaftlicher für ihre Ideen werben und überzeugende Antworten liefern: „Gerade in Ostdeutschland, wo die Menschen das Scheitern von Planwirtschaft selbst erlebt haben, ist die Ablehnung der Ampelpläne zur Energiewende besonders groß.“
Michael Kretschmer, Vorsitzender der sächsischen CDU und Ministerpräsident des Freistaats, warnte zudem: „Wir sind auf dem Weg in eine Polarisierung, wie wir sie aus Amerika kennen. Die Debatte der vergangenen Woche hat nicht erkennen lassen, dass alle das begriffen haben.“ Zudem sagte er gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es sein nicht verantwortungsvoll, wenn Politiker zu „Schuldzuweisung und Abgrenzung“ greifen, „statt sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen“.
Tatsächlich birgt die Forderung nach einem Parteiverbot die Gefahr, die Politikverdrossenheit der Wähler massiv steigen zu lassen: Die Verbotsforderungen beziehen sich schließlich auf eine Partei, die im demokratischen Wettstreit der momentan besonders erfolgreich ist. Bei den Wählern kann damit schnell der Eindruck entstehen, dass einige Parteien per Verbotsverfahren bloß einen Konkurrenten loswerden wollen.
Politiker wie Faeser oder Maier sind nämlich nicht nur Innenminister im Bund beziehungsweise im Freistaat Thüringen, beide sind eben auch SPD-Mitglieder. Maier ist sogar SPD-Landeschef in Thüringen, Faeser ist Chefin der SPD in Hessen und zudem Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober. Als wichtige Inhaber eines Staatsamtes sollten beide Politiker eigentlich nicht den Hauch eines Verdachts aufkommen lassen, sie würden ihr Amt für Zwecke ihrer Partei ausnutzen. Beim Ruf, eine stärker werdende Konkurrenzpartei zu verbieten, könnte sich der Verdacht zahlreichen Wählern aufdrängen – und beileibe nicht nur bei denen der AfD. Zweifel an der politischen Neutralität und Objektivität werden mittlerweile auch bei Thomas Haldenwang, dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz laut. Zusammen mit Innenministerin Faeser hat Haldenwang am 20. Juni den Verfassungsschutzbericht 2022 vorgestellt. Wie aufmerksame Beobachter feststellten, sind in dem Bericht kaum noch Aussagen zu linksextremistischen Gruppierungen innerhalb der Linkspartei zu finden.
Haldenwangs Amtsverständnis
Auf den 376 Seiten des Berichts finden sich nur noch einige wenige Sätze, in denen es um Linksextremisten innerhalb jener Partei geht. Noch im Verfassungsschutzbericht 2020 war die Bundesbehörde recht ausführlich auf extremistische Gruppe wie die „Kommunistische Plattform“, die „Sozialistische Linke“, die „Antikapitalistische Linke“ oder die Gruppierung „marx21“ eingegangen. Angesichts der massiven Streichungen zum Thema Linksextremismus wies ein Kommentator bei „Tichys Einblick“ auf die Koalitionen zwischen SPD und Linkspartei in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen hin. Angesichts dieser Bündnisse könnten allzu ausführliche Informationen über linksextremistische Strömungen innerhalb der Linkspartei zu Fragen führen, mit wem sich die SPD da eigentlich eingelassen habe: „Die SPD hat ein Interesse daran, dass der Begriff ,linksextremistisch‘ im Zusammenhang mit ihrem Koalitionspartner möglichst wenig auftaucht. Wo Rot-Dunkelrot-Grün gemeinsam regieren, wie etwa in Berlin, wird der Linksextremismus innerhalb der ,Linke‘ in den Berichten des Landesverfassungsschutzes komplett unterschlagen“, so Thomas Leh in „Tichys Einblick“.
Nicht nur das Weglassen von Informationen zum Linksextremismus wirft Fragen nach der Neutralität der Verfassungsschutzbehörde auf. Gegenüber dem ZDF machte der Chef der Bundesbehörde am 20. Juni eine Aussage, die auf ein sehr fragwürdiges Amtsverständnis hindeutet: Haldenwang sagt: „Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken ...“


