Nordkorea ist ein Land der Gegensätze, zum einen ist es eine hoch technisierte Atommacht. Zum anderen landwirtschaftlich ein derartiges Entwicklungsland, dass die Bevölkerung Hunger leidet. So mehren sich erneut Berichte über Hungertote im streng kommunistisch regierten Land. Da der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un sein Land immer weiter vom Rest der Welt abschottet, sind die Grenzen auch weitgehend für den Import von Nahrungsmitteln und Dünger für die Landwirtschaft geschlossen. Das Verbot von ausländischen Medien und Kontakt ins Ausland erschwert die Informationslage.
Der britische Sender BBC berichtete nun, dass sich seit Beginn der Corona-Pandemie die Hungerlage wieder drastisch verschlechtert habe. Demnach verschone die Hungersnot diesmal auch das Militär nicht. Erneut sei es in den Großstädten am schlimmsten. Da jeglicher Kontakt ins Ausland für die nordkoreanische Bevölkerung verboten ist, arbeitete BBC mit der Organisation „Daily North Korea“ zusammen. Sie verfügen über ein Netzwerk an Quellen im Land. Nach deren Informationen führe der Ukrainekrieg nicht nur in Afrika zu neuen Hungersnöten, sondern auch in Nordkorea, einem der engsten Verbündeten Russlands und Waffenlieferanten.
Schon Mitte und Ende der 1990er Jahre litt Nordkorea unter einer entsetzlichen Mangelernährung. Die unmittelbare Ursache für die nordkoreanische Hungersnot waren die großflächigen Überschwemmungen im August 1995, die einen Großteil der Reisernte des Landes vernichteten, aber vor allem das Verbot des Imports von Nahrungsmitteln.
Auch die zerfallende Sowjetunion konnte damals nicht aushelfen. Das Ausmaß der Katastrophe ist nicht vollständig bekannt, aber zwischen 1995 und 1999 starben Hunderttausende an Ursachen, die direkt oder indirekt mit der Nahrungsmittelknappheit zusammenhängen. Die Zahl der Todesopfer wird auf bis zu zwei Millionen geschätzt, bei insgesamt
20 Millionen Einwohnern des Landes.
Obwohl die Hungersnot in Nordkorea durch eine Naturkatastrophe ausgelöst wurde, hatte sie in erster Linie politische Ursachen. Wie beim „Großen Sprung nach vorn“ in China von 1958 bis 1962, als 20 Millionen Menschen im ländlichen China verhungert sind, geht man auch in Nordkorea davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Menschen indirekt an den Folgen des Nahrungsmangels starben.
Untypische Reaktion der Regierung
Die Hungersnot in Nordkorea war ein einzigartiges Ereignis. Anders als die meisten größeren Hungersnöte der Neuzeit war sie nicht das Ergebnis politischer Umwälzungen und weniger das Resultat einer Naturkatastrophe als vielmehr einer langfristig gescheiterten Wirtschaftspolitik. Sie war auch insofern ungewöhnlich, als die städtische Bevölkerung in den Industriestädten am stärksten betroffen war. Auch die Reaktion der Regierung auf die Hungersnot – ein unverhohlener Appell an die internationale Hilfe, verbunden mit strengen Beschränkungen für ausländische Spender und Helfer – war untypisch. Ausländische Helfer durften die Hilfen nicht selbst verteilen, weshalb ein Großteil zur Versorgung des Militärs verwendet wurde. Am tragischsten war jedoch, dass sie zu keinen größeren Veränderungen in der Politik oder der Juche (Selbstständigkeit)-Ideologie führte, was in den folgenden Jahren zu wiederholtem Hungersnöten führte.
Nordkorea ist ein Industriestaat, der in der Lage ist, eine strenge politische Kontrolle über seine Bevölkerung aufrechtzuerhalten, aber nicht willens ist, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen, die seinem Volk das grundlegendste menschliche Bedürfnis – genug zu essen – sichern könnten.Bob


