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Folge 27-23 vom 07. Juli 2023 / Kommentar / Ratten-Löcher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-23 vom 07. Juli 2023

Kommentar
Ratten-Löcher
Friedrich Nolopp

Als rund 40 Jahre nach Kriegsende die Erinnerung an Stettin, Breslau, Beuthen und Allenstein in der jüngeren Generation langsam schwand, traten Elisabeth und Peter Ruge ihre Rundreisen durch die ostdeutschen Kulturlandschaften an, die sie schließlich in ihrem Buch „Nicht nur die Steine sprechen deutsch …“ niederschrieben. Damals war der junge Diplomat Rolf Nikel (Jahrgang 1954) bereits im Auswärtigen Amt und arbeitete Anfang der 1980er Jahre unter anderem im Sowjetunion-Referat. Mit der Osteuropa-Politik beschäftigten sich damals in Bonn auch die CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Czaja, Präsident des Bundes der Vertriebenen, Herbert Hupka, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, sowie Heinrich Windelen, in den 1980er Jahren Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen. Diese drei hat Nikel noch kennengelernt. 

Weitere knapp 40 Jahre weiter ist Nikel nun Botschafter a.D. und hat über seine Dienstzeit in Warschau (2014–2020) ein Buch mit dem plakativen Titel „Feinde Fremde Freunde. Polen und die Deutschen“ geschrieben (siehe PAZ vom 16. Juni). Es sind keine Memoiren, sondern vielmehr ist es eine wohlmeinende Analyse der deutsch-polnischen Beziehungen – die stark den Interessen Polens zugewandt ist. Da kann Nikel gut Auskunft geben, denn er hat als junger Diplomat im Bundeskanzleramt unter Helmut Kohl an den beiden großen deutsch-polnischen Dokumenten mitgewirkt – dem Grenzvertrag von 1990 und dem Nachbarschaftsvertrag von 1991. Die Grenzfrage, die jahrzehntelang einer gedeihlichen Entwicklung im Wege gestanden hatte, so Nikel, musste 1990 „unbedingt schnell bereinigt werden“. Der Grenzvertrag erfüllte eine Forderung der Kriegsalliierten. 

Ex-Botschafter Rolf Nickel

Allerdings haben „einige Ewiggestrige in Deutschland“ sogar noch über das Ende des Kalten Krieges hinaus die Befürchtungen in Polen vor einem deutschen Revisionismus befeuert. 25 Jahre später spielten die Grenze und das Verhältnis zu den Vertriebenen keine Rolle mehr. Der aktuelle BdV-Vorsitzende Bernd Fabritius sei „ein akzeptierter Gesprächspartner in Warschau“, so Nikel. 

Nun, also inzwischen knapp 80 Jahre nach Kriegsende, sind nicht nur Städtenamen wie Königsberg, Schneidemühl und Graudenz verschwunden, auch die Namen Herbert Czaja, Herbert Hupka und Heinrich Windelen tauchen nicht mehr auf – jedenfalls nicht im Buch von Nikel. Auf Nachfrage erklärt er, dass sie irrelevante Positionen vertreten hätten, die Zeit wäre über sie hinweggegangen, daher bräuchte man sie nicht mehr nennen. 

Czaja, Hupka und Windelen

Dies ist für viele Schlesier, Westpreußen und Pommern natürlich bitter, dennoch können auch sie mit Gewinn das Buch von Nikel lesen, erfahren sie doch, was die bundesdeutschen Regierungsstellen für das Recht auf die Heimat und für die Vertriebenen nach 1990 geleistet haben – nämlich nichts. Als während Nikels Dienstzeit in Warschau ein bislang namenloser Mehrzweckraum einen Titel erhalten sollte, wurden verschiedene Vorschläge gemacht. Man hätte dieses Quartier auch Herbert-Czaja-Saal oder Heinrich-Windelen-Halle nennen können – doch man entschied sich in Warschau für die Bezeichnung Władysław-Bartoszewski-Saal. 

Bleibt die aktuelle Debatte um die polnischen Reparationsforderungen in Höhe von 1,3 Billionen Euro. Dabei warnte Nikel in einer Buchlesung davor, dass man von deutscher Seite aus in diese Kontroverse einen Verweis auf die Oder-Neiße-Gebiete, die Polen übernommen hat, einbringt. Dies würde in Polen zu katastrophalen Verstimmungen führen und in Deutschland dafür sorgen, dass möglicherweise die Nachfolger der CDU-Politiker und Vertriebenensprecher Heinrich Windelen, Herbert Czaja und Herbert Hupka aus „ihren Löchern hervorkriechen“. Da stutzt der Zuhörer – wer kriecht umgangssprachlich aus seinen Löchern? Richtig: Ratten. So haben also Czaja, Hupka und Windelen eine lange Reise hinter sich – erst wurden sie geschätzt, da sie als Bundestagsabgeordnete der Union Millionen Wählerstimmen sicherten, dann wurden sie ausrangiert und als Unperson nicht mehr erwähnt, und jetzt sind sie beziehungsweise ihre Nachfolger Akteure, die möglicherweise bald aus ihren Ratten-Löchern hervorkriechen.