In Regensburg ereignete sich vor 400 Jahren nie Dagewesenes: Kaiser Ferdinand II. übertrug die Kurwürde des Calvinisten Friedrich V. von der Pfalz auf dessen katholischen Vetter Maximilian I. aus der bayerischen Linie der Wittelsbacher. An das damals umstrittene Ereignis erinnert nun die bayerisch-tschechische Landesausstellung „Barock! Bayern und Böhmen“. Die sehenswerte Schau bietet im Regensburger Haus der Bayerischen Geschichte 170 Exponate auf.
Ihr Auftakt ist kriegerisch. Das Pieter Snayers zugeschriebene Gemälde „Schlacht am Weißen Berg bei Prag“ (nach 1620) zeigt die Flucht der böhmischen Soldaten am 8. November 1620 vor den siegreichen Truppen Kaiser Ferdinands und der von Maximilian angeführten Katholischen Liga. Wie lautet die Vorgeschichte? Die böhmischen Stände hatten Ferdinand für abgesetzt erklärt und Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem neuen König gewählt. Deshalb kam es zur Schlacht am Weißen Berg.
Friedrich floh über Breslau, Brandenburg und Wolfenbüttel ins niederländische Exil. Aber 27 Rädelsführer des böhmischen Aufstandes erlitten die Hölle auf Erden, wie uns das aus acht grausigen Szenen zusammengesetzte Gemälde „Die Hinrichtung der böhmischen Herren auf dem Altstädter Ring in Prag am 21. Juni 1621“ (nach 1621) vor Augen führt
Kaiser Ferdinand übernahm wieder die Herrschaft in Böhmen und verfügte, dass jeder Einwohner, der sich nicht zum katholischen Glauben bekennen wolle, das Land verlassen müsse.
Auch Maximilian I. (1573–1651) konnte feiern. Durch Verwaltungsreformen sowie die zu seinen Gunsten eingeführten Monopole zum Weißbierbrauen und für den Salzhandel hatte er die Staatseinnahmen und damit auch seine Finanzen so beträchtlich erhöht, dass er neben dem Kaiser der mächtigste katholische Fürst des Heiligen Römischen Reiches geworden war. Gegen seinen Vetter Friedrich V. (1596–1632) war er erst nach großen Versprechungen des Kaisers in die Schlacht gezogen.
Nach dem Sieg kam die Oberpfalz von Friedrich an Maximilian. Aber damit nicht genug: Ein aus der Benediktinerabtei Scheyern ausgeliehenes Gemälde stellt die „Übertragung der pfälzischen Kurfürstenwürde auf Maximilian I.“ dar. Dem Bild zufolge wohnten alle Kurfürsten am 25. Februar 1623 der Zeremonie bei, in der der thronende Kaiser dem vor ihm knienden Maximilian das Kurschwert überreichte. Die Wirklichkeit sah anders aus: Der Erzbischof von Trier ließ sich durch einen Bevollmächtigten vertreten und die evangelischen Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen und Georg Wilhelm von Brandenburg blieben aus Protest der Zeremonie fern.
Auftakt zum Dreißigjährigen Krieg
Der böhmische Konflikt bildete den Auftakt zum Dreißigjährigen Krieg. Aus dem stammen die ausgestellten Tongranaten. Einige sind noch mit Zünder versehen. Wenige Ausstellungsmeter weiter stößt ein reitender Bote ins Posthorn. Marx Anton Hannas hat ihn in sein Flugblatt „Allegorie zur Feier des Westfälischen Friedens“ (1648) gesetzt. Ein schiefer Grabstein in Kreuzform erinnert an die vielen Toten, eine Ruine verweist auf die gewaltigen Zerstörungen und wirtschaftlichen Schäden. Am Himmel erscheinen die Gottheit Fama, denn der Frieden hat gesiegt, sowie der Sicherheit und Wohlstand verheißende Götterbote Merkur.
Auf die schweren Kriegsschäden folgte ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Bauboom in der neuen Mode des Barockstils, den Baumeister aus Oberitalien nach Bayern und Böhmen brachten und in beiden Ländern tätige Baumeisterdynastien wie die Dientzenhofer oder die Brüder Asam weiterführten. Die barocke Kunst zeichnet sich durch Dramatik und Gefühlsüberschwang, Symmetrie und kräftig bis schwerfällig bewegte Formen aus. Auftraggeber in Böhmen waren Adel und Orden. In Bayern nahmen vor allem Kirchen und Klöster barocke Formen an. Kurator Peter Wolf führt aus: „Ein großer neuer Markt für sakrale Kunst entsteht.“
Zwar macht uns die Schau auch mit höfischer Repräsentation bekannt. Aber weitaus reicher ist die fromme Kunst vertreten. Äußerst makaber wirkt der vom Bildhauer Hans Conrad Asper geschaffene Sargdeckel in Form eines realistisch gestalteten Skeletts aus Marmor (1624). Kurator Wolf kommentiert: „Gedenke, dass Du sterben musst – Memento mori. Diese Haltung gehört zu den Hauptthemen der barocken Malerei und Skulptur.“
Ein anderes großes Thema ist die Architektur und ihre Ausstattung. Historische Baumodelle stellen uns zum Beispiel die Benediktinerabtei Michaelbeuern (1768) vor. Eine kolorierte Zeichnung zeigt die Idealansicht des Zisterzienserklosters im böhmischen Plaß (1779–1785). Einen Blick in den göttlichen Himmel gewährt der von Franz Anton Maulbertsch in Öl auf Leinwand ausgeführte Entwurf des Deckengemäldes „Der Triumph der Weisheit Gottes“ (1793).
Unter der Decke des Ausstellungssaals schweben sehr bewegungsfreudige, pummelige Putten, die ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Joseph Deutschmann schnitzte die farbig gefassten Kinderengel 1760 zur Bekrönung der Beichtstühle der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Aldersbach. Sie verkörpern „Die vier letzten Dinge“: den Tod, das Jüngste Gericht, die Hölle und den Himmel.
Bis 3. Oktober im Haus der Bayerischen Geschichte, Donaumarkt 1, Regensburg, geöffnet: Dienstag bis Sonntag 9 bis 18 Uhr, Eintritt: 12 Euro. Der Katalog aus dem Pustet Verlag kostet im Museum 24 Euro. Die Ausstellung wandert im Anschluss
weiter in das Nationalmuseum Prag.
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