11.11.2025

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Folge 27-23 vom 07. Juli 2023 / Gesellschaft / Ohne Biss und Realismus / Der kanadische Psychologe zeichnet ein vages Bild der Gegenwart

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-23 vom 07. Juli 2023

Gesellschaft
Ohne Biss und Realismus
Der kanadische Psychologe zeichnet ein vages Bild der Gegenwart
Ansgar Lange

Angeblich ernährt sich Jordan B. Peterson relativ einseitig. Gemäß der Carnivore-Diät isst er nur tierische Produkte und Salz. Seinem als „Konservatives Manifest“ betitelten Traktat fehlt aber genau dieses: das Salz. Der Kritiker der „Neuen Zürcher Zeitung“ stellte fest, Peterson spreche in seinem Büchlein „wie ein Prediger, der es sich mit niemandem verscherzen will“. Da ist etwas dran. Und so lässt einen die Lektüre ratlos und auch enttäuscht zurück.

Dem 1962 geborenen kanadischen klinischen Psychologen eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus. Über YouTube fanden einst seine hochgeladenen Vorlesungen riesige Verbreitung. 2019 hatte sein Kanal mehr als zwei Millionen Abonnenten. Sein 2018 veröffentlichter Selbsthilfe-Ratgeber „12 Rules for Life“ wurde zu einem Bestseller.

Peterson verortet sich selbst als klassischen britischen Liberalen. Im in solchen Fragen zur Hysterie neigenden Deutschland wird er als konservativ oder „rechts“ bezeichnet. Schaut man sich das „Konservative Manifest“ an, so zeigt sich der Autor als traditioneller Konservativer mit teilweise etwas naiven Meinungen. Der hohe Ton des Buchs wird nicht nur den zynischen Leser bisweilen zum Schmunzeln bringen. Peterson lässt es in diesem Traktat an Witz, Humor und vor allem an Eindeutigkeit fehlen.

Zunächst stellt er eine tiefgreifende Krise unserer Zeit fest. Die Identitätspolitik verwirre die Menschen. Eine panische, menschenfeindliche, apokalyptische Untergangsstimmung schwäche „den Geist unserer Söhne und Töchter“. Wenn er hier die teilweise auch vor Gewalt nicht zurückschreckende Klimasekte meint, dann könnte Peterson durchaus recht haben. Aber der Autor bleibt vage in der Beschreibung des Ist-Zustandes und vage in der Beschreibung des Gegengifts, mit dem dieser behoben werden könnte.

Petersons Tugendkatalog umfasst folgende Werte: Demut, Freiheit, Autonomie, Wahrheit, Handlungsfähigkeit, Identität, Leistung, Verantwortung, Tradition, Gemeinschaft, Schöpfungsverantwortung, Gerechtigkeit und Einigkeit. Viele konservative Temperamente werden dieser Aufzählung kaum widersprechen wollen, doch sie wirkt willkürlich.

Auf den folgenden Seiten beschreibt Peterson, was er im Einzelnen unter diesen Werten versteht. Um es vorwegzunehmen: Bahnbrechende, neue Erkenntnisse oder Überraschungen finden sich hier nicht. Man hat die Aufzählungen so schnell vergessen, wie man sie gelesen hat. Norbert Bolz attestiert Peterson in seinem Nachwort daher zu Recht eine gewisse Naivität. Dies werde besonders deutlich, wenn dieser etwas von „Menschen guten Willens“ oder von „ewigen Wahrheiten“, ja von „erlösender Wahrheit“ spreche. „Das grenzt an religiöse Rhetorik, während Konservative ja vielmehr die Aufgabe hätten, die gesellschaftliche Funktion von Religion herauszuarbeiten“, schreibt Bolz. In der politischen Debatte sollte man mit einem Begriff wie Wahrheit ganz besonders vorsichtig umgehen, denn niemand hat die Wahrheit für sich gepachtet.

Peterson hat es aber lieber sehr pathetisch: „Die Erkenntnis, dass ehrlicher und ungehinderter Diskurs unter Männern und Frauen guten Willens den immerwährenden Weg zur erquickenden und erlösenden Wahrheit darstellt, ist eine Einsicht, deren begriffliche Tiefe und Zuverlässigkeit in der Menschheitsgeschichte ihresgleichen sucht“, so Peterson. 

Auch sein Eintreten für freie Märkte könnte vielleicht nur den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck schockieren, für den ein freier Markt des Teufels ist. Freudlos plädiert Peterson für eine Abkehr vom Hedonismus und ein Bekenntnis zur Leistung. 

Zu Ehe und Familie unterhält Peterson ein Verhältnis, das man in früheren Zeiten als normal bezeichnet hätte. Heute stehen Ehe und Familie bei vielen Deutschen weiterhin – entgegen den medialen Verzerrungen – weiter hoch im Kurs. Dass stabile Freundschaften Menschen Halt und Stabilität geben und Arbeit Sinn verleihen kann, sind weitere Binsenweisheiten des kanadischen Erfolgsautors. 

Nachworte der Journalistin Birgit Kelle, des Kommunikationswissenschaftlers Bolz und des Philosophen Alexander Grau runden das Büchlein ab. Während sich Kelle von Petersons Thesen ziemlich begeistert zeigt, ist Grau wohltuend zurückhaltend. Er hält fest, dass ein ernst zu nehmender Konservativismus vor allem realistisch sein muss. Konservative sollten nicht nur demütig, freiheitsliebend, autonom und traditionsbewusst sein. 

Anhänger seiner YouTube-Vorträge werden sicherlich gern die 15,90 Euro für das schmale neue Werk ihres „Gurus“ ausgeben. Skeptische, realistische Konservative mit einer gewissen Scheu vor religiösem Pathos wohl eher nicht. 

Jordan B. Peterson: „Konservatives Manifest“, Fontis-Verlag, Basel 2023, gebunden, 88 Seiten, 15,90 Euro