15.11.2025

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Folge 27-23 vom 07. Juli 2023 / Für Sie gelesen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-23 vom 07. Juli 2023

Für Sie gelesen

Lektüre mit Gewinn

Die Polen-Jahrbücher, die im Harrassowitz-Verlag erscheinen, sind keine offiziellen Publikationen des polnischen Staates, sondern von einer nichtstaatlichen deutschen Einrichtung herausgegeben. Sie geben die Ansichten der deutschen und polnischen Autoren wieder. Diese sind unter anderem Professoren der Fachrichtungen Geschichte, Slawistik und Literaturwissenschaften sowie Hochschuldozenten oder Journalisten. Das verspricht fachliche Kompetenz. 

In 15 Beiträgen werden im aktuellen „Jahrbuch Polen“ unterschiedliche Sichtweisen zum Thema behandelt. Eine Konstante ist die geographische Lage zwischen Russland und Deutschland, unabhängig von den politischen Systemen, die gerade herrschten. Diese brachten erhebliche territoriale Grenzverschiebungen im Westen wie im Osten, für Deutschland am aktuellsten die Westgrenze der Republik Polen an Oder und Lausitzer Neiße. Damit ist der östliche Nachbar weit nach Westen vorgerückt, er bleibt aber bis heute für viele Menschen der rückständige Osten. Dass dieses Bild angesichts der politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Veränderungen seit dem Untergang des Kommunismus nicht mehr stimmt, wird erst langsam wahrgenommen. 

Ein weiteres Beispiel sind die im polnischen „Kresy“ genannten Gebiete. Ihre Zentren waren das heutige litauische Wilna und Lemberg, das zur Ukraine gehört. In der Geschichtspolitik und in der Erinnerungskultur bei unserem Nachbarn spielen sie eine ungleich größere Rolle als in der Bundesrepublik die des Ostdeutschland. 

Die Breslauer Historikerin Malgorzata Ruchniewicz beschreibt die einstigen Ostgebiete der Republik Polen zwischen Erinnerung und Gegenwart. Die Bezeichnung „Ostjude“ galt bis in die NS-Zeit als Charakterisierung verarmter, schmutziger, bärtiger, schwarz gekleideter Juden aus diesem Raum, die beispielsweise in Berlin im Scheunenviertel lebten. Es war ein Ausdruck der Verachtung. Der Beitrag von Katrin Steffen bietet begriffliche Klarheit und Differenzierung. 

Im heutigen Deutschland zählt „Ostjude“ nicht mehr zum Wortschatz. Osten ist mehr als eine Himmelsrichtung oder der Staat Polen. Osten ist ein Lebensgefühl, eine Sehnsucht nach der Weite des Raumes. Dies erinnert an den bekannten Verleger Wolf Jobst Siedler in seinem Essay „Das Land der Vorfahren mit der Seele suchend“. Gemeint ist Preußen östlich der Oder.  Der russische Angriff auf die Ukraine seit 2014 wirft neue Aspekte auf die Thematik Osten. Zählt Polen zum Westen oder wird der Staat zum Osten gezählt?

Alle Beiträge zeugen von großer Fachkenntnis der Autoren, die Lektüre ist ein Gewinn. Dieser wäre überzeugender, wenn bei den zahlreichen Ortsnamen und Landschaftsbezeichnungen Karten vorhanden wären. Und auch die zahlreichen Fotos hätten Erklärungen verdient. Der Kenntnisgewinn wird leider dadurch beeinträchtigt. Karlheinz Lau

Deutsches Polen Institut Darmstadt (Hg.): „Jahrbuch Polen 2023, Band 34. Osten“, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2023, Taschenbuch,  179 Seiten, 19,90 Euro





Hartes Leben in den USA

Die amerikanische Familie Goodnough zieht 1910 auf eine Farm in Colorado. Das Leben ist harte Arbeit, auch für die Kinder Edith und Lyman, die damit aufwachsen und jeden Tag von morgens bis abends mit ihrem Vater die Felder bestellen, die Kühe melken und alle anfallenden Arbeiten miterledigen müssen. Der Vater Roy ist ein Tyrann. Das Leben bietet wenig erfreuliche Abwechslung. Der Nachbarsjunge John Roscoe hilft bei der Ernte und ist auch für Edith der einzige Freund. Eine kurze Beziehung muss aufgrund des herrschsüchtigen Vaters wieder beendet werden. 

Im Jahr 1977 wird Edith verhaftet. Ihr wird vorgeworfen, ihren Bruder Lyman getötet zu haben. Johns Sohn Sanders glaubt nicht daran. Er berichtet, was sein verstorbener Vater ihm über die Familie Goodnough erzählt hat und was er selbst als junger Mann erfahren hat.

Die ungewöhnliche Erzählweise des Autors Kent Haruf im Roman „Das Band, das uns hält“ ist auffällig. Der Leser muss in die Geschichte eintauchen, denn es wird viel Nebensächliches erwähnt, wodurch er aber viel über den alltäglichen Kampf um eine selbstständige Existenz und das harte Leben auf den einsamen Farmen in der Weite der USA erfährt. Haruf lebte in Colorado und starb 2014. Für seine Romane erhielt er mehrere Preise. Sein Roman „Unsere Seelen bei Nacht“ wurde auch verfilmt.Angela Selke

Kent Haruf: „Das Band, das uns hält“, Diogenes Verlag, Zürich 2023, gebunden, 310 Seiten, 25 Euro