Seit fast anderthalb Jahren herrscht in der Ukraine Krieg, der Urlaub und Erholung am Meer für die Bevölkerung fast vollständig unmöglich gemacht hat. Die gesamte Asowsche Küste ist derzeit besetzt, während die Schwarzmeerküste aufgrund von Minengefahr und Raketenangriffen offiziell unzugänglich ist. Aber dennoch machen die Menschen Urlaub.
Das Kriegsjahr 2023 unterscheidet sich im ukrainischen Urlaubsparadies Odessa stark vom ersten Kriegsjahr 2022. Das Vertrauen in die Zukunft ist etwas gestiegen, auch die Ukrainer sind sehr aktiv, wenn es darum geht, Pläne für den Sommerurlaub zu schmieden, Urlaub auch vom Kriegsalltag wird das allerdings nicht. In der Vorkriegszeit hatte sich die touristische Infrastruktur an der Schwarzmeerküste der Region Odessa sprunghaft entwickelt. Es wurden Erholungszentren, teure Hotels mit Schwimmbädern, Cafés und Restaurants gebaut. Vor allem der ukrainische Teil Bessarabiens mit den Orten Gribivka, Satoka, Serhiivka und Karolino-Buhaz war bei den Ukrainern sehr gefragt. Der Strandbezirk Arkadija im Zentrum von Odessa wurde bereits Miami Beach genannt, Geheimtipp in der Stadt war der Strand der einst deutschen Siedlung Lustdorf.
Jetzt sagen jedoch selbst die optimistischsten Tourismusexperten, dass die Region Bessarabien, einst auch Siedlungsgebiet vieler Deutscher, im Gegensatz zu Odessa auf keine Saison 2023 zählen kann. Die Wahrscheinlichkeit von Raketenangriffen ist in dieser Region, über die ein großer Teil des Nachschubs der Ukraine aus dem NATO-Land Rumänien kommt, sehr groß.
Urlaubsort in Trümmern
Die Brücke in Satoka, die einzige Landverbindung zwischen der Kern-Ukraine und dem ukrainischen Teil Bessarabiens, wurde bereits am Anfang des Krieges durch russische Bombardements lahmgelegt, was zu einem fast vollständigen Stillstand des öffentlichen Verkehrs führte. Der beliebte Urlaubsort Satoka wurde bereits vollkommen in Trümmern gelegt. Die Behelfsbrücke und eine neue Fähre Owidiopol-Bilhorod-Dnistrowskyj können den Zustrom von Urlaubern nicht bewältigen.
Das Schwarze Meer bleibt weiterhin Frontlinie, weil die Russen den Himmel und das Meer beherrschen. Es gibt einen gemeinsamen Erlass der regionalen Militärverwaltung von Odessa und des Militärkommandos aus dem Jahr 2022, der das Betreten und den Aufenthalt an der Küste sowie in Buchten, Binnengewässern und Strandbereichen innerhalb der Küstenschutzzone des Schwarzen Meeres in der Region Odessa verbietet.
In Odessa selbst herrscht dagegen jetzt eine Badesaison unter Kriegsrecht. Offiziell ist hier, wie an der gesamten Küste, das Baden im Meer verboten. Aber das hält die Menschen nicht ab. Bereits am ersten Maiwochenende, als es in der Stadt deutlich wärmer wurde, kamen Zehntausende von Menschen an die Strände.
Fast wie im Frieden, aber nur fast!
Das kalte Wasser zog sie mehr an, als dass Minengefahr sie abschreckte. Der Zugang zu fast allen Strandabschnitten, von Langeron über Lustdorf bis zur 15. Station von Fontanka – das sind mehr als 15 Kilometer Küstengebiet – sind offen. Nur einige Strände sind mit Bändern abgesperrt. Die Cafés öffnen rege, direkt am Ufer spielt laute Musik. An manchen Wochenenden bilden sich sogar Warteschlangen vor den Lokalen. Seit 17 Monaten herrscht Krieg in der Ukraine, aber an der Perle am Meer scheint es ihn nicht zu geben.
Die Situation in den Urlaubsorten an der von Russland besetzten Asowschen Küste ist dagegen sehr schwierig. Selbst auf der seit 2014 besetzten Krim ist der Tourismus fast zusammengebrochen. Durch die Invasion Russlands wurde auch das einstige Juwel und der absolute Geheimtipp der Ukraine, die größte unbewohnte Insel Europas, Dscharylgatsch, besetzt. Auf dieser Insel von der doppelten Größe Norderneys, die auch wegen ihrer kilometerlangen Traumstrände als ukrainische Malediven bezeichnet wurde, wo Tierarten leben, die es sonst nirgendwo gibt, hat sich ein sandiger Damm zwischen dem Festland im Kreis Cherson und der Insel gebildet, der eine ökologische Katastrophe verursachen könnte. Die Gewässer um die Insel sind ein wichtiges Gebiet für Meeressäuger. Insbesondere leben hier einzigartige Küstengruppen von Delfinen, und es gibt eine hohe Dichte von Schweinswalen rund um die Insel.