15.11.2025

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Folge 29-23 vom 19. Juli 2023 / Lyrik / „Die Gräfin ist nich dot; die tut bloß so“ / Vor 150 Jahre kam Gustav Hochstetter zur Welt – Der Humorist dichtete vor den Toren Berlins

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-23 vom 19. Juli 2023

Lyrik
„Die Gräfin ist nich dot; die tut bloß so“
Vor 150 Jahre kam Gustav Hochstetter zur Welt – Der Humorist dichtete vor den Toren Berlins
Bettina Müller

„Jüngling in den reifern Jahren, Ueberleg dir’s hundertmal! Willst du dir die Ruh’ bewahren, Triff mit Vorsicht deine Wahl!“ 

Das hat gesessen! In Gustav Hochstetters Gedicht „Hund oder heiraten?“ wurde die potentielle Ehefrau zum Albtraum. Der Kampf der Geschlechter, das war ein typisches Sujet der Possendichter, Coupletdichter und Witzblattredakteure. Es war die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, in der Humoristen wie Hochstetter Hochkonjunktur hatten.

Dann brach der Erste Weltkrieg aus, die Zielscheibe des Spottes änderte sich. Der Gegner wurde verbal gedemütigt und so besiegt. Kritische Distanz? Fehlanzeige. Der „Iwan“, die klassische Stereotype, in Hochstetters „Maruschka Braut gelibbtes!“ wurde zum dümmlichen „Iwan, Kosak gefangenes“: „Ißt sich großes Glick, daß ische so gutt kann daitsch.“ Zu dieser Zeit lebte Hochstetter bereits über ein Jahrzehnt in Berlin. Doch was hatte den Badener dorthin verschlagen? 

Zur Welt kam Hochstetter am 12. Mai 1873 in Mannheim, wo er nach dem Abitur zunächst Kaufmann wurde. Doch als ihm Wilhelm Busch 1902 einen Brief schrieb, hieß es in der Adresse: „Herr stud. phil. Gustav Hochstetter in Heidelberg“. Und wieder ein Jahr später war auch der Heidelberger Student Geschichte. Hochstetter war zum Redakteur der „Lustigen Blätter“ in Berlin berufen worden und hatte seinen Wohnsitz dorthin verlegt. 1913 heiratete er in Breslau die Kaufmannstochter Margarete Pasch. 

Entgegen seiner eigenen humoristischen Warnung – „so im Sommer wie im Winter. Ist der Hund stets stubenrein. Nimm mal an, du hättest Kinder, Würden die das immer sein?“ – kam ein Jahr später seine Tochter Elisabeth Maria in Bad Saarow zur Welt. Dort nannte der Schriftsteller den „Hochstettershof“ sein Eigen, sein Idyll am Scharmützelsee. 

Zu Beginn der turbulenten 20er Jahre war Hochstetter längst eine bekannte Persönlichkeit in Berlin, die mit einem reichhaltigen schriftstellerischen Œuvre aufwarten konnte. Auch ihn lockte die Filmwelt, so reimte er für den „Filmzauber“:  „Sie wissen, warum man den Grafen bespitzelt / Warum die Dame den Glatzenmann kitzelt / Und sie sagen, des sicheren Blickes froh: / ‚Die Gräfin ist nich dot; die tut bloß so‘.“ 

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten verabschiedete sich Hochstetter aus der Redaktion der „Lustigen Blätter“ und lebte fortan als freier Schriftsteller. Romane wie „Der rasende Junggeselle“ oder „Der Nasenprofessor“ gab er nun in seiner eigenen „Bibliothek-Gesellschaft m.b.H. zu Pieskow“ heraus, deren Direktor er war. Diese Gesellschaft war ausgerechnet Mitglied der Reichsschrifttumskammer, die die Werke jüdischer Autoren schmähen sollte. Margarete Hochstetter, von der er längst geschieden war, gelang die Flucht nach England. Der Jude Hochstetter blieb in Berlin. Am 

11. Juni 1942 wurde er in ein Arbeitslager gebracht und vier Monate später nach Theresienstadt deportiert. Am 26. Juli 1944 wurde er dort ermordet. 

Heute erinnert ein „Stolperstein“ vor seinem ehemaligen märkischen Domizil an den inzwischen in Vergessenheit geratenen Schriftsteller.