Nach dem Abwurf der beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 machte sich zunächst Entsetzen über das zerstörerische Potential der Kernkraft breit. Davon unbeeindruckt versuchten die Militärs nun mit aller Vehemenz, ihre Waffensysteme mit Nuklearantrieben zu versehen. So lief 1954 mit der „Nautilus“ das erste Atom-Unterseeboot der Welt vom Stapel, gefolgt von dem Flugzeugträger „Enterprise“ mit acht Kernreaktoren an Bord. Und selbst schwere Bomber wie die Convair X-6 sollten sich mit Atomkraft in die Luft erheben, was freilich aus technischen und finanziellen Gründen misslang.
Parallel hierzu kam bald auch Euphorie angesichts der scheinbar unerschöpflichen konstruktiven Möglichkeiten der Kernenergie auf. Immerhin versprachen Atomkraftwerke billigen Strom für alle. Zudem hofften US-Forscher, Raumschiffe und zivile Fahrzeuge aller Art nuklear antreiben zu können. Daraus resultierte unter anderem das 1957 gestartete Projekt Orion. Dabei ging es um die letztlich abgebrochene Entwicklung einer durch wiederholte Atomexplosionen hinter dem Heck durchs All schießenden Kapsel, die innerhalb von nur zwei Monaten den Mars erreichen sollte.
Ebenso wurde vergeblich versucht, die Atomlokomotive X-12 zu realisieren und große Luftschiffe mit Kernreaktoren auszurüsten, damit sie in der Lage wären, 500 Passagiere mit 300 Stundenkilometern über den Atlantik zu tragen. 1958 verfolgte Ford sogar den Plan, einen Pkw mit einer atomaren „Kraftkapsel“ für 5000 Meilen Fahrt ohne „Tankstopp“ in Serie zu produzieren. Das Auto mit der Typenbezeichnung „Nucleon“ erlangte indes genauso wenig Praxistauglichkeit wie die kernenergiegetriebenen Gefährte für die Schiene und die Luft.
Eisenhowers „Atoms for Peace“
Erfolgreicher bei der zivilen Nutzung der Atomenergie war dahingegen zunächst die Sowjetunion, welche nicht nur das erste kommerzielle Kernkraftwerk der Welt in Obninsk in Betrieb nahm, sondern auch den ersten Atom-Eisbrecher mit 44.000 PS Maschinenleistung. Allerdings versuchten die USA im Rahmen der Operation Plowshare aufzuholen. Diese lief im Juni 1957 an und ging auf die Initiative „Atoms for Peace“ (Atome für den Frieden) des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower zurück.
Der hatte bereits am 8. Dezember 1953 vor der UN-Vollversammlung vorgeschlagen, nukleare Sprengsätze für nichtmilitärische Zwecke zu verwenden. Dazu gehörten die Erweiterung des Panamakanals, der Bau eines zweiten Kanals parallel dazu durch Nicaragua, die Schaffung einer Alternative zum Suezkanal via Israel sowie die Anlage eines künstlichen Seehafens am Kap Thompson in Alaska durch die Explosion von fünf Wasserstoffbomben. Außerdem war geplant, unterirdische Atomtests so durchzuführen, dass dabei Kavernen zurückbleiben, in denen sich Erdöl und Erdgas ansammeln kann – man könnte hier von nuklearem Fracking sprechen.
Die erste Zündung eines Kernsprengkopfes im Rahmen der Operation Plowshare fand am 10. Dezember 1961 nahe Carlsbad in New Mexico statt. Infolge dieses sogenannten Gnome-Experiments entstand in einem Salzstock 360 Meter unter der Erdoberfläche eine 4000 Kubikmeter große Aushöhlung. Dem folgten 26 weitere solcher Explosionen, darunter der Sedan-Test in der Wüste von Nevada am 6. Juli 1962. Hier wurden ungefähr zwölf Millionen Tonnen Gestein bewegt. Allerdings gelang es nicht, den dadurch verursachten radioaktiven Niederschlag zu minimieren. Der erreichte sogar Chicago und bescherte am Ende 13 Millionen US-Amerikanern eine erhöhte Strahlenbelastung. Trotzdem dauerte es noch bis Mai 1973, ehe die Verantwortlichen die Operation Plowshare offiziell beendeten.
Das östliche Gegenstück dazu war das sowjetische Programm Nummer 7 „Atomexplosionen für die Volkswirtschaft“. In dessen Verlauf kam es zwischen 1965 und 1988 zur Zündung von insgesamt 115 „zivilen“ Bomben auf dem Atomwaffentestgelände Semipalatinsk in Kasachstan und anderswo in der UdSSR wie beispielsweise im sibirischen Jakutien oder bei Jenakijewe in der Oblast Donezk im Osten der Ukraine. Dabei stand ebenfalls die Entwicklung innovativer Techniken im Bergbau sowie die Bewegung größerer Erdmassen im Vordergrund. So wollte die Moskauer Führung mittels der „friedlichen“ Kernexplosionen den Bau des Petschora-Kama-Kanals beschleunigen. Außerdem wurden fünf Kernsprengköpfe zur Detonation gebracht, um brennende Gasquellen zu löschen. Wie in den USA fand dabei nicht selten eine radioaktive Verseuchung der Umwelt statt, was der wesentlichste Grund dafür war, dass das Programm mit dem Ende der Sowjetunion auslief und keiner der Nachfolgestaaten Interesse an einer Fortsetzung zeigte.
Der letzte Todesstoß
Ansonsten scheiterten die hochfliegenden Pläne auf beiden Seiten aber auch am Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser vom Oktober 1963 sowie an der Angst, Terroristen könnten leichter in den Besitz spaltbaren Materials gelangen, wenn überall Lokomotiven oder Kraftfahrzeuge mit kleinen Kernreaktoren im Einsatz sind. Dazu kam im Westen der massive Widerstand der Bevölkerung. Und dann waren da noch die vielfältigen technischen Probleme. So hätte die atomare „Kraftkapsel“ im Ford Nucleon zunächst nur thermische Energie erzeugt, woraus die Notwendigkeit resultierte, diese aufwendig und auf engstem Raum in mechanische Kraft umzuwandeln. Ebenso ungelöst blieb das Problem des Strahlenschutzes. Der Bau von Flugzeugen mit Kernreaktor wurde nicht zuletzt deshalb aufgegeben, weil man herausfand, dass diese eine mindestens zwölf Tonnen schwere Abschirmung benötigen, um die Verstrahlung der Besatzung zu verhindern.
Der letzte Todesstoß für die atomaren Utopien war dann die Entwicklung risikoärmerer und kostengünstigerer Technologien, zu denen beispielsweise innovative konventionelle Antriebe für Flugzeuge, Autos, Lokomotiven und Raumschiffe gehörten. Diese profitierten dabei vom damaligen gesellschaftlichen Klima, in dem noch weitestgehend ergebnisoffen geforscht werden konnte und keine von vornherein gesetzten ideologisch begründeten Grenzen existierten.


