Der Stadtpfeifer, auch Piffaro genannt, war ein besonders im 14. bis 18. Jahrhundert von Städten angestellter, später auch Stadtmusikus genannter sehr vielseitiger Musiker. In Zünften zusammengeschlossen, bildeten sie auch Lehrlinge aus und beschäftigten Gesellen. Zahlreiche bekannte Komponisten gingen aus einer Stadtmusikantenlehre hervor. Im 19. Jahrhundert wurde dieses Amt zu Stadtkapellen ausgeweitet. Es gab sie fast in jeder etwas größeren Stadt.
Ein überlieferter Stadtpfeifer in Pommern war Paul Lütkemann. So ganz lassen sich seine Lebensdaten nicht nachvollziehen. Geboren war er um 1560 in Kolberg/Hinterpommern und verstorben zwischen September 1611 und Mai 1612 in Frankfurt an der Oder. Er war Musiker und Komponist, bezeichnete sich selbst als „Colbergensis“, was für Irritationen sorgte, denn in Kolberg ist lediglich in der Zeit ein Organist namens Jochim Lütkemann überliefert.
Paul Lütkemann hingegen ist im Immatrikulationsverzeichnis der 1506 gegründeten Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder im Jahr 1578 eingetragen. Frankfurt war zu der Zeit ein für die Musikkultur bedeutender Ort.
Vielfältige Aufgaben
Die Aufgaben eines Stadtpfeifers umfassen die Organisation aller städtischen Musikaufführungen sowie den Turm- und Wachdienst. Auch spielten sie auf allen Feierlichkeiten der Stadt auf. 1587 bewarb sich Lütkemann um die vakante Stelle des Stadtmusikus in Stettin. 1588 wurde er vom Stettiner Rat eingestellt und wurde somit der ranghöchste Musiker in der Stadt. Auch am Hof der in Stettin residierenden pommerschen Herzöge spielte er mit seinen Musikern auf. Ebenso betreute er die Musik in St. Jakob und St. Nikolai, in Zusammenarbeit mit dem Kantor des Fürstlichen Pädagogiums in Stettin, Philipp Dulichius.
1606 übernahm Lütkemann das Amt des Stadtmusikus in Frankfurt an der Oder, dem Ort, in dem er seine Laufbahn begann. In diesem letzten Lebensabschnitt entstanden etliche Gratulationsmusiken in Zusammenarbeit mit Bartholomäus Gesius. Das letzte dieser Gelegenheitswerke hat sich mit Datum 16. September 1611 erhalten. Im Mai des folgenden Jahres wurde im Ratsbuch ein Vermerk zu Lütkemanns Witwe eingetragen.
Von Lütkemann sind verschiedene Werke erhalten wie Sammlungen von Motetten und Trostgesängen, Weihnachts- und Hochzeitsgesänge, die sämtlich in Stettin erschienen sind und die Jahre 1597 bis 1606 umfassen. In der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel sind Originale erhalten.
Zu den Instrumenten, die ein Stadtpfeifer beherrschen musste, gehörten Zinken, Naturtrompeten, Posaunen, Streichinstrumente, Rauschpfeifen, Dulzianen und Pommern (Holzblasinstrumente) sowie Krummhörner, Flöten und Schlagwerke. Es waren ganz vielseitige Musiker. Aus den 1940er Jahren wird noch aus Altdamm bei Stettin berichtet, dass der dortige Stadtpfeifer 15 Gesellen und Lehrlinge hatte, die man auch für Tanzabende mieten konnte. Aus Anklam erfährt man von einem Stadtmusikus, der an der Ostseite des Marienkirchplatzes im sogenannten „Kunstpfeifferhaus“ gewohnt haben soll.
Die Tradition der Stadtpfeifer erhielt sich teilweise bis ins 20. Jahrhundert. Doch beherrschten sie nicht mehr die genannten Instrumente.
Der Stadtpfeifer spielte auf vielerlei Instrumenten: Heute spielen die Dresdner Stadtpfeifer „Alte Musik für neue Ohren“ auf alten Instrumenten


