Die deutschen Ostgebiete üben eine ungebrochene Faszination aus – davon zeugen zahlreiche Buchneuerscheinungen. „Danzig. Tage des Aufbruchs“ ist der Auftaktroman einer Trilogie der Erfolgsautorin Hilke Sellnick, deren Folgebände im nächsten und im übernächsten Jahr erscheinen sollen.
Die Romanhandlung spielt im Jahr 1860. Die Heldin ist Johanna, Tochter der Patrizierfamilie Berend, die in der Langgasse ein alteingesessenes Handelshaus führt. Die abenteuerlustige Tochter aus gutem Haus brennt eines Tages mit einem eleganten Pianisten durch, den sie im Salon ihrer Freundin Auguste von Kleiwitz kennengelernt hat, und reist mit ihm durch Europa. Schnell fühlt sie sich jedoch von ihm als Spielzeug benutzt und kehrt reumütig nach Hause zurück. Zu ihrem Entsetzen muss sie feststellen, dass ihr Vater inzwischen verstorben ist und ihr herrsch- sowie rachsüchtiger ältester Bruder Theodor nun dem Haushalt und dem Handelshaus vorsteht. Ihr liebenswerter Bruder Ernst wurde zum Jura-Studium nach Königsberg geschickt.
Für Johanna beginnt eine Zeit voller Kummer und Leid. Weil sie Schande über die Familie gebracht hat, hält Theodor sie wie eine Gefangene im Haus. Nicht einmal ihre Schwägerin Luise darf mit ihr reden. Alte Freunde und Bekannte ächten sie, lediglich Auguste hält zu ihr. Ihre Rettung sieht Johanna in der Ehe mit dem sehr viel älteren Schiffsbauer Berthold Forster. Den gutmütigen Mann hatte die Romanheldin auf ihrer Rückreise nach Danzig kennengelernt. Johanna ist eine Kämpfernatur. Alle Steine, die der ältere Bruder ihr und dem jüngeren Bruder in den Weg legt, räumt sie unerschrocken aus dem Weg. An der Seite ihres Ehemanns reift in ihr der Plan, in Danzig eine Werft zu errichten, die Handelsschiffe von mittlerer Größe bauen soll. Ihr auf kleinere Boote spezialisierter Ehemann sträubt sich gegen die Idee, doch Johanna gibt nicht auf. Nicht umsonst hat sie vom Vater gelernt, was es heißt, Kaufmann zu sein. Sie kümmert sich um den Erwerb des Grundstücks, entwirft einen Geschäftsplan und führt die Bücher.
Es kommt zu Verwicklungen mit ihrem Bruder und Konkurrenten Theodor, doch als Pawel, Forsters Sohn aus erster Ehe, auftaucht, der einige Jahre im Ausland Schiffsbau studiert hat, scheint sich nach anfänglichen Schwierigkeiten alles zum Guten zu wenden, wäre da nicht das Aufkeimen einer Liebe, die nicht sein darf.
Sellnick erzählt spannend und unterhaltsam, wenngleich die Handlung auch einige Längen und triviale Wendungen enthält.
Hilke Sellnick: „Danzig. Tage des Aufbruchs“, Penguin Verlag, München 2023, broschiert, 526 Seiten, 16 Euro


