Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte vor Wochen großmundig angekündigt: „Ich will beschleunigte Verfahren für Klima-Kleber.“ Nun sind die beim Amtsgericht Tiergarten angestrengten Schnellverfahren sowie der Versuch der Einstufung der „Letzten Generation“ als kriminelle Vereinigung jedoch gescheitert.
Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für die CDU) hatte im Mai eine Prüfung durch ihre Verwaltung angeordnet, ob bei der „Letzten Generation“ der Anfangsverdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung vorliegen würde. Nun liegt ein 30-seitiges Gutachten der Senatsjustizverwaltung zu einer Entscheidung des Landgerichts Potsdam vor. Diese bejaht den Anfangsverdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Aber die Berliner Senatsjustizverwaltung meint: „Aus Sicht des Fachbereiches lässt sich die Entscheidung aus Brandenburg nur bedingt auf die Situation in Berlin anwenden.“ Die linke Tageszeitung „taz“ jubelt: „Die Forderung nach hartem Vorgehen gegen die Letzte Generation wird durch Gesetze beschränkt.“
Auch mit dem Versuch, die Straftaten der „Klimakleber“ innerhalb einer angemessenen Zeit abzuurteilen, ist erst einmal gescheitert. Zwar wurde beim Amtsgericht Tiergarten eine spezielle Abteilung für derartige Fälle eingerichtet. Von 27 Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung eines „Schnellverfahrens“ hatte jedoch nicht ein einziger Erfolg. In elf Fällen wurden die Anträge abgewiesen, zweimal hatte die Staatsanwaltschaft ihre Anträge zurückgenommen. Zwei angesetzte Verfahren wurden gestrichen: In einem versäumte das Gericht, die Verteidigung fristgerecht – es gilt eine verkürzte Ladungsfrist von 24 Stunden – zu laden.
Am 11. Juli stand Julian L. (35) aus Regensburg für eine Straßenblockade acht Monate zuvor in Berlin-Friedrichshain vor Gericht. Die Richterin gibt nach stundenlanger Verhandlung auf: Sachverhalt einfach, aber Beweislage unklar, also ungeeignet für einen Schnellprozess. Eine Woche später stand Mandus C. (39) vor dem Kadi. Am 11. November 2022 hatte er im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eine Straße blockiert. Die Beweislage reichte der Richterin nicht, weil „Videomaterial nicht rechtzeitig zur Akte“ gelangt sei und „Zeugen nachermittelt werden müssen“. Simon S. (26) wiederum hatte die FDP-Bundesgeschäftsstelle in der Reinhardtstraße mit Ölfarbe beschmiert. „Das Gericht musste den Termin aufheben, weil der Verteidiger versehentlich nicht auf dem dafür vorgesehenen förmlichen Weg geladen worden war“, jammerte Gerichtssprecherin Lisa Jani.
Vasili Franco von den Grünen frohlockt: Der Rechtsstaat „funktioniert“. Mit der Ankündigung der Schnellverfahren habe die Landesregierung den Menschen „wissentlich Sand in die Augen gestreut“. Die „taz“ geißelt die Verfahren gar als „eine Art Sondertribunal“. SPD-Rechtsexperte Jan Lehmann hält indes dagegen: „Beschleunigte Verfahren haben sich in der Vergangenheit bewährt, wenn vielfach vergleichbare Taten begangen wurden und man eine schnelle Rechtssicherheit haben will. Damit nicht erst nach 20 Taten ein Urteil fällt.“