Die Bilder gingen um die Welt und galten als Beispiel dafür, dass es die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA mit der Sicherheit äußerst genau nahm: Als die drei Astronauten von Apollo 11 nach ihrer erfolgreichen ersten Mondlandung am 24. Juli 1969 im Pazifik wasserten und an Bord des Flugzeugträgers „Hornet“ gebracht wurden, entfiel jegliche formelle Begrüßungszeremonie, obwohl sogar US-Präsident Richard Nixon vor Ort weilte. Stattdessen mussten die in biologische Schutzanzüge gehüllten Nationalhelden sofort in ein mobiles Quarantänemodul steigen und später noch 21 Tage in der von der Außenwelt abgeriegelten, mehr als 100 Millionen US-Dollar teuren Isolierstation in Houston (Texas) ausharren.
Dann erst schien festzustehen, dass sie keine unbekannten und möglicherweise gefährlichen Mikroorganismen vom Mond eingeschleppt hatten. Allerdings war diese vermeintlich perfekte Vorsichtsmaßnahme eher eine Propagandaschau als ein taugliches Mittel zum Zweck, eine vielleicht fatale Kontaminierung unseres Planeten beziehungsweise eine tödliche Pandemie zu verhindern. Das hat nun der Professor für Umweltgeschichte an der Georgetown-Universität in Washington, Dagomar Degroot, nach der Auswertung von NASA- und Regierungsdokumenten aus den 1960er Jahren in einem Fachartikel mit dem Titel „Ein kleiner Schritt für den Menschen, ein großer Sprung für die Mondmikroben?“ enthüllt.
Um jeden Preis bemannt
Nachdem John F. Kennedy am 25. Mai 1961 das Ziel verkündet hatte, „noch vor Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond landen zu lassen und ihn wieder sicher zur Erde zurückzubringen“, warnten die einflussreichen Weltraumforscher der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA vor der sogenannten „Rückkontamination“ der Erde mit gänzlich fremden Mikroorganismen vom Mond, die im Gegensatz zur „Vorwärtskontamination“ des Erdtrabanten mit irdischen Keimen die Gefahr einer „Katastrophe von enormer Bedeutung“ berge.
Angesichts dessen hätte es nahegelegen, die Mondoberfläche zunächst mit Robotern zu erkunden, doch das war keine Option für die Amerikaner, welche nach dem Sputnik- und Gagarin-Schock befürchteten, dass auch der erste Mensch auf dem Mond ein Russe sein könnte. Vielmehr einigten sich die NASA und die US-Regierungs- beziehungsweise Gesundheitsbehörden im März 1966 auf die Gründung eines gemeinsamen Beraterkomitees, welchem es oblag, die zu treffenden Maßnahmen gegen eine Verseuchung der Erde mit Mondmikroben festzulegen und zu überwachen.
Die beiden wichtigsten dieser Vorkehrungen waren die Entwicklung von Verfahrensweisen zum sicheren Umgang mit dem Material vom Mond sowie der Bau der Isolierstation, der im August 1966 genehmigt wurde und anschließend in nur elf Monaten erfolgte. Die Quarantäneeinrichtung mit 300 Mann starkem technischen und medizinischen Personal sollte wie ein Bio-Labor der höchsten Sicherheitsstufe Vier abgeschirmt sein, jedoch endeten die 1968 und Anfang 1969 durchgeführten Tests allesamt desaströs.
Es traten jeweils bis zu 140 gravierende Mängel oder Lecks auf. Währenddessen entwickelte die US-Öffentlichkeit aufgrund der mittlerweile grassierenden Hongkong-Grippe immer größere Angst vor der Rückkontamination der Erde. Daraus resultierten sogar Forderungen nach einer Verschiebung der Mondmission. Doch die fand letztlich wie geplant statt, wobei das Beraterkomitee bis zum Tag der Landung von Apollo 11 im Pazifik zögerte, die angeblich volle Funktionstüchtigkeit der Isolierstation zu zertifizieren.
Wie wenig man von dieser intern überzeugt war, geht aus Vereinbarungen hervor, welche die Beschäftigten in der Quarantäneeinrichtung kurz zuvor unterzeichnen mussten. Damit nahmen sie zur Kenntnis, dass die Behörden jeglichen Fluchtversuch aus der Station im Falle eines Fundes gefährlicher Mikroben mit Waffengewalt stoppen würden und die Regierung sich als letzte Option offenhalte, die Einrichtung samt aller Personen darin unter einem Berg aus Beton zu begraben, wenn sämtliche anderen Maßnahmen zur Verhinderung der Rückkontamination scheitern sollten.
Das Problem bleibt brisant
Und tatsächlich erwies sich das gesamte Prozedere für den Umgang mit den drei Astronauten sowie dem Mondgestein und dem zurückgebrachten Filmmaterial dann auch als wenig zielführend. So misslang beispielsweise die Sterilisierung der Behälter für die Negative, weswegen der NASA-Fototechniker Terry Slezak und vier seiner Kollegen plötzlich Mondstaub an den Händen hatten und wie die Astronauten in Dauerquarantäne mussten. Aus den von Degroot gesichteten Dokumenten geht hervor, dass es fast täglich zu solchen Vorfällen kam und zum 3. August 1969 dann schon 24 Personen in der Isolierstation festsaßen. Daraus zieht der Umwelthistoriker den Schluss: „Hätte Apollo 11 Mikroorganismen vom Mond zurückgebracht, wären sie wahrscheinlich entkommen.“
Das gilt analog für die Nachbereitung der Unternehmen Apollo 12 und 14 – im Falle von Apollo 13 war die Quarantäne unnötig, da die Astronauten nicht landen konnten, und ab Apollo 15 verzichtete die NASA auf die Isolation der Rückkehrer: „Unangemessene Verfahren“ führten immer wieder zu Fehlern und Leckagen innerhalb der Isolierstation.
Weil im Anschluss an die Missionen von Apollo 11, 12 und 14 keine extraterrestrischen Mikroorganismen an den Objekten vom Mond oder in den Körpern der Astronauten festgestellt wurden, liegt es nahe, das Problem der Rückkontamination als irrelevant zu betrachten, wenn künftig wieder Menschen zum Mond fliegen. Allerdings machte Prabal Saxena vom Goddard-Raumfahrtzentrum der NASA jetzt darauf aufmerksam, dass „bestimmtes mikrobielles Leben“ über Meteore auf den Mond gelangt sein und dort ökologische Nischen gefunden haben könnte.
Insofern dürfte die Sicherheitsdiskussion, bei der es in letzter Konsequenz um nicht mehr und nicht weniger als das Überleben der Menschheit geht, bald wieder hochkochen. Zumal die Corona-Pandemie gezeigt hat, wie schnell ein scheinbar unwahrscheinliches Ereignis eintreten und zum existentiellen Risiko für die ganze Welt werden kann.


