Kein Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) war derart präsent in der Öffentlichkeit wie Thomas Haldenwang. Bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit warnt er vor den angeblichen Gefahren, die von der Alternative für Deutschland ausgingen. Selbst der AfD nicht sonderlich wohlgesinnte Medien stellen sich die Frage, ob Haldenwang möglicherweise zu weit gehe.
Der BfV-Chef ist ein aus Nordrhein-Westfalen stammender Jurist, der die meisten Dienstjahre im Innenministerium verbracht hat. Seit 2009 arbeitet er für den Inlandsgeheimdienst, seit November 2018 ist er als Nachfolger von Hans-Georg Maaßen Chef der Sicherheitsbehörde. Beobachter beschreiben Haldenwang als besonnenen, höflichen Mann. Doch beim Thema AfD wird er resolut. Haldenwang sei überzeugt von dem, was er tue, zitierte die „Tagesschau“ aus Sicherheitskreisen.
Seit 2019 versucht sich die AfD mit juristischen Mitteln gegen den Verfassungsschutz-Präsidenten zu wehren. Mal gelingt ihr das, mal nicht. Als Haldenwang kürzlich während der Europawahlversammlung der Partei konstatierte, der Parteitag habe die weitere Radikalisierung der Partei unter Beweis gestellt, wurde er von einem Gericht zurückgepfiffen. Als die Partei eine Woche später den Parteitag abgeschlossen hatte, wiederholte Haldenwang seine Feststellung.
Gemeinsam gegen die AfD
Der 63-Jährige besitzt seit Jahren das CDU-Parteibuch, eine Karriere innerhalb der Parteigremien hat er nie angestrebt. Der Protestant besuchte als 17-jähriger Schüler Israel und lebte zeitweise in einem Kibbuz. Mehrfach wiederholte er, diese Erfahrung habe ihn sehr geprägt. Wohl deshalb hat er den Kampf gegen den Antisemitismus und den (auch vermeintlichen) Rechtsextremismus ganz oben auf seine Fahnen geschrieben.
In Berlin gibt es in Regierungskreisen Menschen, die Haldenwang durchaus kritisch sehen. Er ermögliche der AfD zu oft, sich als Opfer darzustellen. Den BfV-Chef ficht das nicht an. Aufgrund seines Alters ist das Ende seiner Amtszeit bereits in Sicht. Er muss kaum noch Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen.
„Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, Umfragewerte der AfD zu senken“, sagte er Anfang Juni in einem ZDF-Interview. Anschließend wurde darüber gerätselt, ob der Verfassungsschutz überhaupt dafür zuständig sei. Oder ob Haldenwangs Äußerung als Appell an die etablierten Parteien verstanden werden soll.
„Ich finde, Thomas Haldenwang macht seinen Job gut. Er ist ein klarer Typ. Und er sieht, dass im Bereich des Rechtsextremismus derzeit die größte Gefahr lauert – ohne andere Gefahren wie Salafismus oder Linksextremismus wegzudrücken. Dabei hat er ein klares Geschichtsverständnis. Das ist in diesen Zeiten viel wert“, sagt der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, der Grüne Konstantin von Notz.
Freiwillig räumt er der SPD das Feld
Auch von den beiden anderen in Berlin regierenden Ampel-Parteien erhält der Christdemokrat viel Zuspruch. Auffallend ist das gute Verhältnis, das CDU-Mann Haldenwang zur SPD-Ministerin Nancy Faeser pflegt. Mehrfach sprang die Bundesinnenministerin dem Behördenleiter in den vergangenen Wochen zur Seite. „Wenn der Verfassungsschutzpräsident konkrete Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen hat, dann äußert er sie auch. Das ist seine Aufgabe“, sagte die SPD-Politikerin der „Rheinischen Post“. Es sei richtig, „dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall genau im Blick hat“.
Als Faeser und Haldenwang vor einigen Wochen gemeinsam vor die Hauptstadtpresse traten, wurde er gefragt, welche Botschaft er für die AfD-Wähler habe. „Ich würde mal sagen, das nehme ich Herrn Haldenwang ab“, griff Faeser ein und wollte damit offenbar verhindern, dass sich Haldenwang zur Tagespolitik äußert. Sie tritt im Herbst bei den Landtagswahlen in Hessen als Spitzenkandidatin ihrer Partei an. Die Chancen stehen nicht sonderlich gut. Und ob die SPD 2025 noch einmal an einer Bundesregierung beteiligt sein wird, steht in den Sternen.
Übernächstes Jahr wird Haldenwang 65 Jahre alt. Hauptstadt-Reporter wollen aus Sicherheitskreisen erfahren haben, dass er eine Verlängerung der Dienstzeit nicht unbedingt anstrebe. Und dass die SPD noch vor der Wahl die Behördenspitze mit jemandem aus ihren Reihen neu besetzen möchte, gilt als sicher. Das riecht nach einer für beide Seiten harmonischen Lösung. Haldenwang darf sich den Rest seiner Amtszeit noch weiter an der AfD abarbeiten. Und die SPD kann schon einmal einen Nachfolger suchen.


