17.11.2025

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Folge 35-23 vom 01. September 2023 / Windkraftanlagen / NRW-Landtag schafft Mindestabstand ab / Selbst Befürworter der Energiewende üben Kritik – EU-Richtlinien und Gerichtsentscheidungen kommt nun eine verstärkte Bedeutung zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-23 vom 01. September 2023

Windkraftanlagen
NRW-Landtag schafft Mindestabstand ab
Selbst Befürworter der Energiewende üben Kritik – EU-Richtlinien und Gerichtsentscheidungen kommt nun eine verstärkte Bedeutung zu
Peter Entinger

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat auf Vorlage der Regierungsparteien CDU und Grüne ein Gesetz beschlossen, das die jahrelang heftig diskutierte Abstandsregelung für Windenergieanlagen aufhebt. Künftig werden nur noch die EU-Richtlinien gelten. 

Der Mindestabstand zwischen Windanlagen und Wohngebieten behindert nach Ansicht von Umweltverbänden den Ausbau der Windenergie. Laut schwarz-grünem Koalitionsvertrag sollen in dieser Legislaturperiode in NRW aber mindestens 1000 zusätzliche Windkraftanlagen errichtet werden. 

CDU-Landtagsfraktionschef Thorsten Schick erklärte, dass es wichtig sei, für den Ausbau der Windkraft vor Ort Akzeptanz zu schaffen. „Es geht uns darum, den Bau von Windenergieanlagen dorthin zu lenken, wo sie Sinn ergeben und gewollt sind.“ 

Breites Bündnis für Abschaffung

Für die Abschaffung der Abstandsgrenze hatte sich ein breites Bündnis gebildet. Der Städtetag NRW, der Landkreistag NRW, der Verband kommunaler Unternehmen, der Landesverband Erneuerbare Energien NRW und der BUND hatten das Regierungsvorhaben unterstützt. Die Praxis habe gezeigt, dass die Abstandsregel nicht zur Akzeptanz der Windenergie beitrage, so ein Argument. Zudem werde durch andere Gesetze, wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz, dafür gesorgt, dass die Anlagen den Anwohnenden nicht zu nah auf die Pelle rückten. 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits vor Monaten an die Länder appelliert, die Windkraft an Land schneller auszubauen. Habeck erklärte, die Bundesregierung tue in großer Eile das, was notwendig sei, um die Kapazitäten hinzubekommen. So würden Konflikte zwischen Artenschutz und Windkraft gelöst. Natürlich sei seine Erwartung, dass die Länder und Kommunen dann auch Flächen für den Ausbau schaffen. Sonst sei alles brotlose Kunst.

Doch nicht überall stößt der Ausbau der Windkraftanlagen auf ungeteilte Zustimmung. „Windkraftausbau gegen die Landbevölkerung kann nicht funktionieren. Bei Anlagen so hoch wie der Berliner Fernsehturm sind 1000 Meter Abstand zu Wohnungen das Mindeste“, sagte Jan Redmann, CDU-Fraktionschef in Brandenburg, gegenüber der „Bild“-Zeitung. 

Auch aus dem Lager der Umweltschützer gibt es Kritik. In Waldgebieten geht die Errichtung von Windrädern nämlich mit massivem Kahlschlag an der Natur einher. Pro Windrad müssen im Schnitt zwischen 0,2 und ein Hektar Wald abgeholzt werden. Schwerlasttaugliche Zufahrtswege müssen dauerhaft geschaffen und freigehalten werden. Zusammenhängende Waldgebiete werden dadurch zum Flickenteppich und zum Industriegebiet. Zudem gibt es immer wieder Befürchtungen, zusätzliche Windkraftanlagen könnten zu einem Vogelsterben führen. Derzeit werden pro Anlage jährlich 20 Vögel getötet, Ende 2022 gab es 28.443Onshore-Windenergieanlagen.

Der Städte- und Gemeindebund NRW forderte die Beibehaltung der bisherigen Abstandsregelung, weil sonst „die Möglichkeit des Wohnungsbaus am Siedlungsrand“ beschränkt würde. Stünde dort bereits eine Windkraftanlage, dann könne dort kein Baugebiet mehr ausgewiesen werden.

Parlamentarischen Widerstand gab es von der AfD und in Ansätzen von der FDP. Die oppositionelle SPD bemängelte lediglich, dass ihr das ganze Vorhaben zu langsam gegangen sei. 

Widerstand aus vielen Lagern

Allerdings können die Windräder nicht beliebig nah an die Häuser heranrücken. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster gilt, dass die dreifache Höhe der Windkraftanlage als Abstand einzuhalten ist, erläutert der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE). Derzeit sind Windkraftanlagen 180 bis 250 Meter hoch – damit ist künftig ein Abstand zwischen 540 und 750 Metern nötig. 

Um die ehrgeizigen Pläne der Regierung realisieren zu können, kommen die neuen Regelungen ohnehin zu spät. Für Windenergieanlagen geeignete Flächen seien genug vorhanden, sagte Energieexperte Thorsten Lenck gegenüber der „taz“. Die neuen Gesetze gingen in die richtige Richtung. Eines stehe allerdings schon fest: Um die Ausbauziele zu erreichen, kommen die Zielvorgaben für die Flächenausweisung zu spät. „Die Flächen müssen früher bereitstehen und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden“, fordert er. 

Zudem droht nun ein regionaler Flickenteppich. Denn in Bayern hatten sich die dort regierenden Christsozialen und Freien Wähler erst nach zähem Ringen im vergangenen November auf einen einheitlichen Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebieten durchringen können. Zudem gilt die Abstandsregel künftig nicht mehr entlang von Autobahnen oder Eisenbahnstrecken, in Gewerbegebieten oder im Wald. Viele CSU-Abgeordnete aus ländlichen Gebieten liefen Sturm gegen das Vorhaben. Und in Bayern wurden in den vergangenen Jahren ohnehin kaum neue Anlagen gebaut.