Ihr Herren, die ihr die Dinge der Welt richtet: Gebt mir meine Berge zurück!“, lautet der erste Satz im gleichnamigen Roman von Albert Wass. Die Einleitung, die einer Anklage an die Herrschenden gleicht und von ihnen fordert, ihr zynisches Handeln zulasten des kleinen Mannes zu unterlassen, bringt die Intention des Autors zum Ausdruck: „Meine Herren, ich erzähle euch mein Leben. Das Spiel, das ich spielen musste, weil ihr meine Rolle so geschrieben habt ... Ihr seid alle gemeinsam für dieses schreckliche Spiel verantwortlich. Alle, die ihr euch in die Dinge der Welt eingemischt habt, über Grenzen, Drahtzäune, Meere und Erdteile hinweg ...“
Die Romanhandlung spielt im Szeklerland zu Beginn des 20. Jahrhunderts, jenem Teil im Osten Siebenbürgens, der nach dem Ersten Weltkrieg im Vertrag von Trianon Rumänien zugeschlagen wurde. Zu dieser Zeit war das Szeklerland zu 90 Prozent von Ungarn bewohnt. Wass schildert aus der Sicht eines Ungarn, der sich als Hirte, Jäger und Köhler in der Bergwelt der Ostkarpaten durchschlagen muss. Dessen entbehrungsreiches, arbeitsames Leben ist von einem tiefen Glauben an Gott und das Gute geprägt.
Nach dem frühen Tod der Mutter sind die drei Kinder gezwungen, sich als Hilfsarbeiter über Wasser zu halten. Eine Zäsur deutet sich an, als der Vater auf offener Straße von Soldaten erschossen wird. Als Ältester übernimmt der junge Mann fortan die Verantwortung für seine Geschwister. Es gelingt ihm trotz vieler Repressalien, denen Ungarn in der Region ausgesetzt sind, zu bescheidenem Wohlstand zu gelangen. Doch das Glück währt nur kurz, da er zum Kriegsdienst eingezogen wird. Er kämpft in der ungarischen Armee an deutscher Seite. Als diese sich zurückzieht, verteidigt der Mann verzweifelt seine Heimat. Bei seiner Rückkehr findet er sein Hab und Gut zerstört vor. Seine Familie wurde ermordet. Es beginnt ein von Gesetzlosigkeit, Gewalt, Flucht und Entbehrung geprägtes Überleben.
Ohne Bitterkeit schildert Wass die Erlebnisse seines Protagonisten, wobei stets ein poetischer, trauriger Grundton mitschwingt. Wass, der mit vollem Namen Graf Albert Wass de Caege hieß, stammte selbst aus Siebenbürgen. Seinen Roman schrieb er auf der Flucht seiner Familie vor der Roten Armee in die USA, wo er 1998 verstarb. Eine erste deutsche Übersetzung dieses Romans erschien in den 1950er Jahren. Die Wiederentdeckung eines der in Ungarn meistgelesenen Autoren ist das Verdienst des Literaturwissenschaftlers und Übersetzers Jörg Seidel, der auch ein Nachwort und Anmerkungen verfasst hat.
Albert Wass: „Gebt mir meine Berge zurück“, Antaios Verlag, Steigra 2023, gebunden, 248 Seiten, 24 Euro


