Trotz guter Umfragewerte und guter Ergebnissen bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen rumort es in der AfD, die der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland einst als „gärigen Haufen“ bezeichnet hatte. Hintergrund des Rumors sind die Biographien zweier Kandidaten, die es vor einigen Wochen auf aussichtsreiche Listenplätze für die Europawahl im kommenden Frühjahr geschafft haben: Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch.
Er, immerhin Landesschatzmeister in Sachsen-Anhalt, landete auf Platz 10. Während seiner Vorstellung gab er unter anderem eine abgeschlossene Berufsausbildung im Journalismus und die Geschäftsführer-Tätigkeit in einem familiären Betrieb an. Sie, aus dem Landesverband Brandenburg stammend, schaffte es auf Platz 14 und warb für sich mit einem abgeschlossenen Studium und einer mehrjährigen Berufsausbildung.
Schon während der Aufstellungsversammlung in Magdeburg wurden daran Zweifel laut. Der Bundesvorstand der Partei leitete daraufhin eine Untersuchung ein und kam zu dem Schluss, dass beide Kandidaten wohl geflunkert haben, wobei Khan-Hohloch mittlerweile ein Abschlusszeugnis vorgelegt haben soll.
An der Basis der Partei war die Aufregung groß, die Oberen übten sich dagegen in auffallender Zurückhaltung. Das hat gute Gründe. Khan-Hohloch gilt als Vertraute von Parteichefin Alice Weidel und war längere Zeit als deren Mitarbeiterin tätig. Bausemer war Teil einer Liste, welche die verschiedenen Parteiflügel im Vorfeld ausgehandelt hatten. Der sachsen-anhaltische Landesverband hatte ihn als Spitzenkandidat nominiert. Zudem wird Bausemer ein enges Verhältnis zum AfD-Listenführer zur Europawahl, Maximilian Krah, nachgesagt.
Nachdem die kritischen Stimmen, die sogar eine Wiederholung der Aufstellungsversammlung gefordert hatten, nicht verstummt waren, beantragte der Bundesvorstand in der vergangenen Woche bei den zuständigen Landesschiedsgerichten ein jeweils zweijährige Ämtersperre für beide. Eine rechtliche Möglichkeit, die umstrittenen Kandidaten von der Liste zu streichen, gab es offenbar nicht. Und eine komplette Neuwahl der Liste wäre organisatorisch und finanziell kaum zu stemmen gewesen.
Doch damit ist das Thema noch nicht durch. Ihr eigener Bandenburger Landesverband hat Khan-Hohloch mittlerweile aufgefordert, eine Mandatsverzichts-Erklärung zu unterzeichnen. Andernfalls wolle man einen Parteiausschluss erreichen. Ob dieses rechtliche Unterfangen von Erfolg gekrönt sein wird, ist fraglich. Pikantes Detail ist die Tatsache, dass ihr Ehemann Dennis Hohloch der brandenburgischen AfD-Landtagsfraktion sowie dem Bundesvorstand angehört.
In den zahlreichen Chat-Gruppen der AfD ist die Gemütslage weiterhin angespannt. Von Verrat ist die Rede und davon, dass die AfD zur Versorgungsgemeinschaft wie eine Altpartei verkommen sei. Bei den diversen Schiedsgerichten gibt es Dutzende Einsprüche gegen die Kandidaten-Aufstellung. Die Parteiführung setzt offenbar darauf, dass Gras über die Sache wächst. Weder Weidel noch ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla haben sich bisher öffentlich zu dem Thema geäußert.P.E.


