08.11.2025

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Folge 41-23 vom 13. Oktober 2023 / Klima- und Wirtschaftspolitik / Ein EU-Klimazoll soll den CO₂-Zertifikaten folgen / Erst treibt Brüssel die Produktionskosten in die Höhe und dann versucht es, den so entstanden Wettbewerbsnachteil mit Protektionismus zu kompensieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-23 vom 13. Oktober 2023

Klima- und Wirtschaftspolitik
Ein EU-Klimazoll soll den CO₂-Zertifikaten folgen
Erst treibt Brüssel die Produktionskosten in die Höhe und dann versucht es, den so entstanden Wettbewerbsnachteil mit Protektionismus zu kompensieren
Hermann Müller

Die Regierungen in Schweden und Großbritannien legen offensichtlich keinen Wert darauf, weiterhin die Vorreiter in der „Klimapolitik“ zu spielen. In London kündigte Premier Rishi Sunak vergangenen Monat an, das Verkaufsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor auf 2035 zu verschieben. Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson hat sich mittlerweile ganz offiziell von der Umsetzung der bisherigen „Klimaziele“ verabschiedet. Teil der neuen Politik in Schweden ist unter anderem eine bereits beschlossene Steuersenkung auf fossile Brennstoffe.

Im Kontrast dazu steht das aktuelle Vorgehen der EU. Diese hat Anfang Oktober die erste Stufe zur Einführung eines sogenannten Klimazolls gestartet. Nach dem Willen der EU-Kommission soll eine Abgabe künftig Importe verteuern, wenn Hersteller außerhalb der EU nicht für den Ausstoß von Treibhausgasen zahlen müssen. Dahinter steht das erklärte Ziel, Produzenten innerhalb der EU vor unfairer Konkurrenz zu schützen. In der EU müssen Kraftwerksbetreiber und auch viele Industrieunternehmen bereits seit 2005 Kohlendioxid-Zertifikate vorweisen. Der Preis dieser Zertifikate steigt nach dem Willen der EU in den kommenden Jahren. Für die europäische Industrie wird dies steigende Produktionskosten bedeuten. Die europäischen Verbraucher müssen sich auf einen preistreibenden Effekt durch die ansteigende Kohlendioxid-Bepreisung gefasst machen. 

Dreijährige Einführungsphase

 Die Idee, auch von Importeuren Kohlendioxid-Zertifikate für ihre Einfuhren zu verlangen, hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen bereits 2019 vorgestellt. Seit dem 1. Oktober beginnt nun die schrittweise Umsetzung des Projekts. Betroffen sind zunächst Importe, bei deren Herstellung viel Energie verbraucht wird: Eisen, Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel, Strom und Wasserstoff. Von 2026 an sollen zunächst zehn Prozent des zu der Zeit geltenden CO₂-Emissionspreises als Zoll verlangt werden. Schrittweise will die EU die Belastung jedes Jahr dann um weitere zehn Prozentpunkte anheben. 2036 würde der Klimazoll in voller Höhe fällig. Von 2030 an möchte die EU den zusätzlichen Zoll auch auf die anderen Güter ausweiten, die innerhalb der EU unter das Emissionshandelssystem fallen. Erklärtes Ziel der EU-Kommission ist es, durch den Klimazoll Produzenten innerhalb der EU vor unfairer Konkurrenz aus anderen Weltregionen zu schützen. Sieht man von der Stahlindustrie ab, ist die Begeisterung in der Wirtschaft für den Klimazoll eher verhalten.

Vertreter der Industrie und Ökonomen haben inzwischen auf ein gravierendes Problem hingewiesen. Ein Klimazoll schützt zwar die Unternehmen innerhalb der EU vor Billig-Importen. Auf wichtigen Exportmärkten stehen die Europäer aber im Wettbewerb mit Anbietern aus Ländern, die keine Zusatzkosten durch einen Emissionshandel haben. 

„Jetzt ist die Sorge, dass Unternehmen, die im Ausland sind, die das nicht zahlen müssen, jetzt billiger sind als die europäischen Unternehmen“, so Achim Wambach, der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Der Kostennachteil könnte stark exportorientierte Unternehmen letztendlich dazu bringen, ihre Produktion in Nicht-EU-Länder zu verlagern. Erst vor Kurzem warnte etwa der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall Stefan Wolf: „Für immer mehr Unternehmen ist es inzwischen deutlich attraktiver, die Produktion ins Ausland zu verlagern.“ 

„Bürokratischer Wahnsinn“

Der Kauf von CO₂-Zertifikaten für energieintensive Importgüter wird zwar erst 2026 Pflicht. Allerdings ist bereits die dreijährige Einführungsphase für die Unternehmen mit so viel Aufwand verbunden, dass von einem Bürokratiemonstrum die Rede ist. Selbst wenn es nur eine simple Stahlschraube ist, die in die EU importiert wird, müssen die Unternehmen den Nachweis erbringen, wie viel Kohlendioxid bei der Produktion freigesetzt wurde. Dementsprechend lauten die Einschätzungen von Wirtschaftsvertretern. „Der bürokratische Wahnsinn (...) ist unglaublich, der Weg in der Welt wieder einmal unabgestimmt einzigartig und der klimapolitische Erfolg mehr als zweifelhaft“, warnt etwa Wolfgang Große En­trup, der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie. 

Mit ihrem Vorgehen provoziert die EU zudem die Gefahr von Gegenmaßnahmen wie Strafzöllen auf europäische Produkte durch wichtige Handelspartner. Seit Ursula von der Leyen vor vier Jahren ihre Idee eines Klimazolls vorgelegt hat, verfolgen die Regierungen in Indien und China das Projekt mit Unruhe.