Die Kommunistische Partei Chinas unter ihrem „Überragenden Führer“ Xi Jinping will das Reich der Mitte bis zum Jahr 2049, in dem sich die Gründung der Volksrepublik China zum hundertsten Mal jährt, zur Weltmacht Nummer Eins machen. Allerdings steckt das Land derzeit in einer ernsthaften Wirtschaftskrise.
Verantwortlich hierfür ist nicht nur die komplett verfehlte Corona-Politik. Übertriebene regulatorische Eingriffe des Staates bei den großen Technologiekonzernen, der Chip-Krieg mit dem Westen und die Versuche der EU wie der USA, die Abhängigkeit von China zu reduzieren, trugen ebenfalls dazu bei, die Volksrepublik in einen Abwärtsstrudel zu stoßen. Dazu kommt das Platzen etlicher Kredite an jene Staaten in Europa, Asien, Afrika und Südamerika, welche durch den Geldregen aus Peking in die „Neue Seidenstraße“ eingebunden werden sollten.
Die Folge der Krise ist ein Konsumstreik der Bürger Chinas, die einerseits unter der wachsenden Arbeitslosigkeit und andererseits unter starker Verschuldung leiden. Das trifft auch den Immobiliensektor, der bisher für 29 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sorgte, weil die Chinesen um die 70 Prozent ihrer Ersparnisse in „Betongold“ anlegten. Inzwischen sind neun der zehn am höchsten verschuldeten Unternehmen der Volksrepublik China Immobilienkonzerne. Spitzenreiter ist Evergrande, dem aktuell fast 300 Milliarden Euro zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten fehlen.
Rinder grasen zwischen leeren Villen
Aufgrund der Kaufzurückhaltung stehen bereits 20 Prozent der Wohnungen und Häuser in China leer – das ergibt eine Gesamtzahl von etwa 65 Millionen. Dadurch mutierten manche Vororte von Metropolen wie Schanghai zu Geisterstädten. Am deutlichsten wird die Misere allerdings in einer Siedlung in den Hügeln von Shenyang 650 Kilometer nordöstlich von Peking. Hier stehen 260 halbfertige palastartige Villen mit teilweise schon verlegten Marmorböden und Kassettendecken, die eigentlich als Domizile für besonders wohlhabende Chinesen gedacht waren.
Mittlerweile haben die Bauern der Umgebung begonnen, das Land zwischen den Häusern umzupflügen und Felder anzulegen. Derweil grasen ihre Rinder auf den übrigen Freiflächen, während die Garagen der Villen als Ställe oder Lager für Heuballen dienen. Der Kontrast zwischen den protzig-luxuriösen Anwesen und der jetzigen, höchst profanen Nutzung könnte nicht krasser ausfallen, woraus der Eindruck erwächst, hier habe jemand eine dystopische Filmkulisse schaffen wollen.
Und wie es scheint, werden die postapokalyptisch anmutenden Zustände in den Geisterstädten Chinas auch kaum so bald enden. Denn nun schlittert das Reich der Mitte zusätzlich noch in eine schwere demographische Krise hinein, welche aus der Ein-Kind-Politik der Jahre von 1979 bis 2016 resultiert: Bis 2100 könnte die Bevölkerungszahl der Volksrepublik von derzeit 1,4 Milliarden auf 766 Millionen schrumpfen. Dann gibt es vielleicht nicht einmal mehr genug von den Landwirten, die ihre Tiere zwischen den Investitionsruinen weiden lassen. W.K.


