Die intensiven Wahlkämpfe haben die Alternative für Deutschland vorübergehend zusammengeschweißt. Kaum sind die Stimmen ausgezählt und die Erfolge eingefahren, streitet die Rechtspartei wieder einmal über den außenpolitischen Kurs. Wie schon in der Russland-Frage präsentiert sich die AfD auch in der Frage, wie man mit dem Nahostkonflikt umgehen solle, höchst gespalten.
Dabei hatte der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland im Bundestag sogar dem Bundeskanzler Olaf Scholz beigepflichtet und erklärt, dass die Solidarität mit Israel quasi deutsche Staatsräson sei. „Der Angriff galt nicht nur dem jüdischen Staat, er galt auch uns. Israel, das ist der Westen in einer Umgebung, die den Westen ablehnt und bekämpft. Wenn wir uns an die Seite Israels stellen, verteidigen wir auch unsere Art zu leben“, erklärte Gauland.
Dies passt auch zu den innenpolitischen Thesen der AfD. Die ungebremste Einwanderung aus muslimisch geprägten Ländern sei für den aufkommenden Antisemitismus in der Bundesrepublik verantwortlich und gefährde generell die Sicherheit im Land. Auf der anderen Seite hat sich die Partei im Zuge des Ukrainekriegs auch als Friedenspartei inszeniert.
In diese Richtung gingen nun auch Äußerungen von Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla: „Der Angriff der Hamas auf Israel ist zu verurteilen. Ich trauere um alle Kriegstote. Jetzt müssen die Staaten der Region auf Deeskalation setzen, um einen Flächenbrand abzuwenden. Diplomatie ist das Gebot der Stunde.“ Das Ziel müsse eine tragfähige Lösung für alle Seiten sein, schrieb er beim Twitter-Nachfolger „X“.
Die Mitteilung war gerade abgesetzt, da brach bereits ein Sturm der Empörung über Chrupalla hinein. „Als du in die AfD eingetreten bist, war diese noch gegen islamistischen Terror. Den unterbindet und vernichtet man“, polterte der Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter, ein erbitterter innenparteilicher Gegner des Parteichefs. Der verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion, Rüdiger Lucassen, war im Ton sogar eine Spur schärfer: „Noch sind nicht alle Kinder-Leichen in Israel geborgen, da sprießen in Deutschland die ,Diplomaten‘, ,Völkerrechtler‘, ,Historiker‘ und Beide-Seiten-Versteher wie Knollenblätterpilze aus dem Boden. Alles bekannt. Alles feige. Alles falsch.“
Der frühere Berliner Fraktionschef und ehemalige Parteivize Georg Pazderski, wie Lucassen pensionierter Bundeswehr-Offizier, bezeichnete Chrupallas Äußerung als „dumm und sinnbefreit“. Ebenfalls auf „X“ konterte er: „Die über 1200 bestialisch ermordeten israelischen Kinder, Frauen und Männer sind keine Kriegstoten, sie sind Mordopfer der Schlächter der Hamas.“
Doch Chrupalla steht mit seiner Meinung parteiintern nicht alleine. Vor allem aus den ostdeutschen Verbänden erhält er Zuspruch. Hans-Thomas Tillschneider, Abgeordneter in Sachsen-Anhalt und Partei-Rechtsaußen mit dem Hang zu Verschwörungstheorien, hielt es sogar für möglich, die Hamas-Offensive sei direkt oder indirekt vom amerikanischen Geheimdienst mit initiiert worden: „Beweisbar ist so etwas natürlich nicht, aber wenn ich über die Hintergründe der aktuellen Auseinandersetzung spekuliere, über Motive und Möglichkeiten, so würde ich doch die Vermutung wagen, dass die USA über ihre klandestinen Hamas-Kontakte zumindest einen Impuls für den Angriff gegeben haben könnten. Das ist in meinen Augen die wahrscheinlichste Erklärung.“
Mit welch harten Bandagen die Debatte geführt wird, zeigt eine Reaktion des thüringischen Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl. „Politik mit Verstand statt mit Schaum vor dem Mund. Wem der Erfolgskurs der Partei nicht passt, steht es frei, sie zu verlassen: Transatlantische Parteien und Konflikteinheizer gibt es ja genug“, sagte er wohl mit Blick auf die ehemaligen Offiziere in der Partei.
Chrupallas Co-Vorsitzende Alice Weidel kündigte in der vergangenen Woche ein Positionspapier der Bundestagsfraktion zu dem Thema an. Doch ob dies die Gemüter beruhigen kann, ist fraglich. In einem Punkt sind sich immerhin alle einig. Weitere Flüchtlinge aus der Region solle Deutschland nicht aufnehmen.


