„Die Freiheit der Linie“ lautet der poetische Name der aktuellen Ausstellung im Landesmuseum Mainz. Es geht dabei um die Anfänge des Druckverfahrens der Radierung. Das Hochdruckverfahren des Holzschnitts hatte sich, nach ersten Experimenten in der Antike, in Europa ab 1400 entfaltet. Die geschnitzten Stempel dienten der Illustrierung von Flugblättern und Büchern.
Einige Jahrzehnte später entstand der Kupferstich als Tiefdruckverfahren zur Herstellung von Spielkarten und Andachtsblättern. Bei diesem wurden mittels eines Grabstichels Darstellungen in eine Kupferplatte geritzt. Die Druckerschwärze setzte sich in den Rillen fest, so dass eine Druckplatte entstand. Die Radierung entwickelte sich hingegen erst ab zirka 1600 aus der Schmiedekunst und nach qualitativ wenig haltbaren frühen Versuchen auf rasch rostenden Eisenplatten. Galt das Verfahren noch zu Zeiten Dürers als wenig überzeugend, so entfaltete es in der Barockzeit seine Blüte.
Hierzu wurden Kupferplatten mit einer Wachs- und Harzschicht überzogen, dann mit einer Nadel in die Wachsschicht gekratzt und schließlich die Platte in ein Säurebad gesteckt. Die vom Wachs freigelegten Kupferstellen bildeten Ätzspuren aus, in die dann die Druckschwärze eindringen konnte. Der Vorteil dieses Verfahrens lag darin, mit erheblich weniger Kraftaufwendung nur durch die Handführung deutlich zartere Zeichnungen in eine druckbare Fassung bringen zu können, was dem Lebensgefühl des Barock und Rokoko entgegenkam.
Zur Veranschaulichung zeigt die Schau primär Werke von drei bekannten Druckkünstlern des 17. Jahrhunderts: Jacques Callot (1592–1635), Stefano della Bella (1610–1664) und Giovanni Benedetto Castiglione (1609–1664). Castiglione, der Meister der Zick-Zack-Linie, rezipierte eifrig Arbeiten Rembrandt van Rijns. Der bei der Kunstwelt seiner Zeit beliebte Lothringer Callot widmete sich hingegen neben theaterartigen Stadtszenerien auch den Gräueln des Dreißigjährigen Krieges. Hinrichtungsstätten und Marodeure tauchen in seinen Arbeiten ebenso auf wie eindringliche Porträts von Bürgersleuten, Bettlern und Krüppeln.
Stefano della Bella wiederum nutzte das Verfahren der Radierung als Erster nicht nur zur Produktion kompositorisch fertiger Kunstwerke, sondern auch zum Druck flüchtiger Skizzen. Oft wurden ökonomisch verwertete Plattenreste für die Herstellung seiner Miniaturen verwendet. Inspiration erhielt er auf Reisen wie nach Ägypten, auf denen er sich mit der Architektur und exotischen Tierwelt beschäftigte.
„Die Freiheit der Linie“, bis 3. Dezember im Landesmuseum Mainz, Große Bleiche 49–51, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, dienstags bis 20 Uhr, Eintritt: 6 Euro. www.landesmuseum-mainz.de


