Am Parteiprogramm wird noch gearbeitet. Auf seiner Internetseite hat das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ jedoch ein sogenanntes Gründungsmanifest veröffentlicht, das einen ersten Überblick gewährt, was die Partei den Wählern anbieten will.
Zunächst spricht sie die Unzufriedenheit der Wähler an. So heißt es: „Unser Land ist in keiner guten Verfassung. Seit Jahren wird an den Wünschen der Wähler vorbei regiert.“ Und: „Die Regierung wirkt planlos, kurzsichtig und in vielen Fragen schlicht inkompetent. Ohne … politischen Neuanfang stehen unsere Industrie und unser Mittelstand auf dem Spiel.“
Die Zwischenüberschriften des Papiers wirken bewusst konsensfähig formuliert: „Wirtschaftliche Vernunft“, „Soziale Gerechtigkeit“, „Frieden“ und „Freiheit“. Wer wollte dagegen Einwände erheben? Wagenknecht sagt: „Mehr sozialer Ausgleich, mehr soziale Gerechtigkeit – diese Themen gehören endlich wieder ganz oben auf die politische Agenda.“
Achillesferse Außenpolitik
Außenpolitisch bezieht sie sich auf die Entspannungspolitik Willy Brandts in den 1970er Jahren. Konflikte ließen sich nicht militärisch lösen. Es brauche eine „starke politische Kraft, die konsequent für Frieden, Diplomatie und Verhandlungslösungen wirbt.“ Ein Textbaustein, den Sahra Wagenknecht seit Beginn des Ukrainekriegs in ungezählten Talkshows intoniert hat. Was sie tun will, wenn eine Konfliktpartei nicht verhandeln will – darüber hat sie sich stets ausgeschwiegen.
Die Sanktionen gegen Russland lehnt Wagenknecht ab, weil sie sich als stumpfes Schwert erwiesen haben. „Nach anderthalb Jahren ist vielmehr klar, dass sie vor allem Deutschland und Europa schaden.“ Die deutsche Wirtschaft gerät unter Kostendruck durch gestiegene Energiepreise, während die russische Wirtschaft weiter wächst. Damit hat Wagenknecht zweifellos recht. Für den pragmatischen Spagat, der Ukraine militärisch zu helfen und zugleich russisches Gas weiter zu beziehen und es darauf ankommen zu lassen, ob Putin die Lieferungen einstellt, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht das Nervenkostüm. Er hätte parallel Öl und Gas aus anderen Ländern organisieren können. Ein solcher Pragmatismus ist im BSW-Manifest allerdings auch nicht zu finden.
Umso ideologiefreier gibt sich das Papier beim Thema Klima: „Wir befürworten Vorschläge, die mehr Klimaschutz bringen und gleichzeitig den Wohlstand unseres Landes nicht gefährden.“ Viele Ampel-Maßnahmen lehnt Wagenknecht ab, weil sie „Menschen arm machen“ und dem „Weltklima wenig helfen“.
Dezidiert spricht sich das Manifest gegen „Cancel Culture und Konformitätsdruck“ aus: „Es untergräbt unsere Demokratie, wenn der öffentliche Meinungskorridor sich immer weiter verengt.“ Und: „Öffentlich-rechtliche Medien sollten keine Erziehungsanstalt oder ein bloßes Sprachrohr der herrschenden Politik sein.“ Hier kommt das Bündnis dem Lebensgefühl vieler Bürger zweifellos am nächsten.
Fazit: Wagenknechts Achillesferse ist die Außenpolitik. Will sie mitregieren, wird sie in der NATO bleiben und Waffenlieferungen gutheißen müssen. Denn ohne Kompabilität zu potentiellen Partnern würde die Gründung keinen Sinn machen. Dann wäre das BSW die nächste Protestgruppierung, die zwar die Bürgerwut mit dem Schaumlöffel abschöpft, aber machtgestalterisch vollinvalide bleibt.HF