Forscher rätseln seit einiger Zeit darüber, ob es nur die externen Faktoren sind, welche die Konsumlaune der Deutschen bremsen oder ob auch die Psychologie eine Rolle spielen. Die Nachrichten-Sendungen überschlagen sich gefühlt seit Jahren mit Hiobsbotschaften. In diesen Zeiten neigen die Menschen eben dazu, ihr Geld beisammen zu halten. Und natürlich gibt es Dinge wie gestiegene Energie- und Lebensmittelpreise, die die Verbraucher beeinflussen.
Zwei Marktforschungs-Institute sind nun zu dem Ergebnis gekommen, dass sich daran auch in den kommenden Monaten erst einmal nichts ändern wird. „Vor allem die hohen Preise für Nahrungsmittel schwächen die Kaufkraft der privaten Haushalte und sorgen dafür, dass der private Konsum in diesem Jahr keine Stütze der Konjunktur sein wird“, erklärten die Marktforscher GfK und NIM. Die nach wie vor hohe Inflation führt vor allem dazu, dass die Einkommenserwartung der Bundesbürger gering bleibt. Sprich: Vom Geld bleibt weniger übrig. „Nach wie vor befinden sich die Einkommensaussichten im Würgegriff der Inflation“, sagte NIM-Konsumexperte Rolf Bürkl kurz und schmerzlos. Zuletzt war die Konsumneigung der Deutschen im Herbst 2008 derart gering gewesen. Damals trübte die internationale Finanzkrise die Kauflaune der Menschen.
Es gibt Branchen, für die ist die derzeitige Zurückhaltung eine echte Katas-trophe. Vor allem Hoteliers und Gastronomen hatten auf ein florierendes Herbst- und Weihnachtsgeschäft gehofft, da immer noch nicht geklärt ist, ob die Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2024 wieder auf den Vor-Corona-Wert angehoben wird. Doch von Reisefreude oder verstärkten Restaurantbesuchen ist nichts zu spüren. Hinzu kommt, dass die Arbeitslosenzahlen zuletzt wieder ein wenig angestiegen sind. Auch das besorgte viele Menschen und führt dazu, dass sie ihr Geld lieber zusammenhalten.
Die R+V-Versicherung gibt seit Jahren eine Statistik heraus, die sich mit den „Ängsten der Deutschen“ beschäftigt. In diesem Jahr bereiten die gestiegenen Lebensmittelpreise den meisten Kummer. Diese sind Tag für Tag, bei jedem Einkauf greifbar. Aber bereits auf dem zweiten Platz rangiert die Angst vor einem allgemeinen Wohlstandsverlust. Sechs von zehn Bundesbürgern haben demnach die Befürchtung, dass Wohnen auf Dauer unbezahlbar wird. Zwar entspricht diese Befürchtung derzeit (noch) nicht der Realität, aber sie führt dazu, dass die Menschen auf „überflüssige Ausgaben“ verzichten. Und dazu zählen Reisen oder Restaurantbesuche. „Die Menschen fühlen sich in ihrer Existenzgrundlage bedroht und sehen ihren Lebensstandard gefährdet. Das schürt Abstiegsängste“, sagt die Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki, welche die R+V-Studie begleitete.
Die Deutschen plagen Abstiegsängste
Die Dauer-Querelen in der Berliner Ampelkoalition tragen naturgemäß nicht dazu bei, dass das Vertrauen der Menschen in Staat und Politik wächst. Und vor allem zwischen den Streithähnen Grüne und FDP deutet sich neuer Zwist an. Wirtschaftsminister Robert Habeck sorgte kürzlich mit einem Strategiepapier für Stirnrunzeln beim Koalitionspartner. Ziel sei es, Deutschland als starken Industriestandort zu erhalten, heißt es in dem Papier. Dafür soll die kriselnde Industrie mit staatlichen Subventionen aufgepäppelt werden. Seit einiger Zeit wird darüber diskutiert, ob es sinnvoll sei, energieintensive Industriezweige auf Gedeih und Verderb im Land zu halten.
Es gibt vor allem in der FDP Stimmen, die sagen, es sei effizienter, billig im Ausland produzieren und dann importieren zu lassen. Habeck wiederum hält nichts davon. So soll auch langfristig in Deutschland etwa Glas, Zement und Papier produziert werden, auch wenn die Voraussetzungen zur Produktion von günstigem Strom verhältnismäßig schlecht sind. Die Schuldenbremse, Leib- und Magenthema der Liberalen, dürfte damit nicht zu halten sein.
Habecks Vorstellungen haben durchaus etwas von Planwirtschaft. Der Konflikt mit Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner dürfte damit programmiert sein. Anfang September hatte der die geplanten Einsparungen im Haushalt 2024 verteidigt. Neue, uferlose Schulden könne sich Deutschland nicht mehr erlauben, betonte der FDP-Politiker. In Habecks Papier liest sich das allerdings ganz anders.
„Unsere Finanzverfassung ist in Zeiten entstanden, die noch von einer marktdominierten Globalisierung und von deutlich weniger geopolitischen Spannungen geprägt waren“, heißt es dort. Und: Man müsse als Land darüber diskutieren, wie diese Regeln spätestens in der nächsten Legislaturperiode an die neuen Realitäten angepasst werden können. Auf gut Deutsch: Habeck hofft, dass es dann ohne die FDP geht.


