„Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Dieses Zitat wird dem deutschen Kaiser Wilhelm II. zugeschrieben. Der Blick auf die von Autos und Lkw verstopften Straßen muss ihm widersprechen. Doch lag der letzte deutsche Kaiser mit seiner Einschätzung wirklich völlig daneben?
Selbst in Deutschland gibt es eine wachsende Zahl von „Idealisten“, die der Umwelt zuliebe und aus anderen Gründen ihren Acker wieder mit dem Pferd pflügen und eggen. Die in diesem Zusammenhang genannten Amish-Leute in den USA dienen oft als Vorbild, da sie den vielspännigen Einsatz von Pferden perfektioniert haben und sich dadurch ihre Erträge mit denen der maschinellen Landwirtschaft durchaus vergleichen lassen. Importeure von pferdegerechten Landmaschinen aus den USA haben bei uns sogar einen Markt gefunden.
Das Rückepferd war überhaupt nie verschwunden, da es Gelände gibt, das für Maschinen unzugänglich ist. Die Berliner Forsten spannen insgesamt sechs Arbeitspferde an drei Standorten (Grünau, Spandau, Dreilinden) an. Die Tiere werden als Ergänzung zum Maschineneinsatz bei der Holzbringung eingesetzt. Außerdem bei der Vorbereitung der Saat und Pflanzung. Auch der Landesbetrieb Forst Brandenburg nutzt Pferde in der Waldarbeit. 2021 wurden von den Landeswaldoberförstereien 14 Pferde eingesetzt, unter anderem als Rückepferde sowie zum Pflügen.
In Frankreich ist man schon einen großen Schritt weiter. Hier beschäftigen heute über 200 Städte und Dörfer das sogenannte Gemeindepferd, ein Oberbegriff für alle Equiden, die für kommunale Aufgaben requiriert werden. In der kleinen südfranzösischen Stadt Vendargues im Département Hérault 13 Kilometer östlich von Montpellier ist sogar der Schulbus auf zwei PS reduziert. Seit mehr als zehn Jahren bringen drei „Hippobusse“, von zwei Zugpferden gezogene Wagen, die Schüler der Stadt zu ihren jeweiligen Lernorten. Mit 30 Sitzplätzen und einer Anbindung an nicht weniger als fünf Schulen ist dieses Transportmittel vor allem ökologisch, da es – abgesehen von Pferde-Pupsern – keine Treibhausgase ausstößt. Und es ist eine Motivation, in die Schule zu gehen.
Immer mehr Gemeinden in Frankreich verlassen sich bei einer Vielzahl von Aufgaben von allgemeinem Interesse wieder auf das Arbeitspferd. Vom bereits erwähnten Schultransport über die Abfallsammlung bis hin zur Pflege von Grünflächen sind die Vierbeiner vielseitig einsetzbar, um die städtischen Arbeiter bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Damit spielen Arbeitspferde, die durch die Mechanisierung der Landwirtschaft von den Feldern verdrängt wurden, wieder eine Rolle als Partner des Menschen und im Kampf gegen den Klimawandel.
Die Gründe liegen auf der Hand: Pferde verbrauchen keine fossilen Energiequellen und als „Abfall“-Produkt fällt auch noch hochwertiger Mist an. Die Energie, die das Pferd als Nahrung benötigt, wächst nach. Dazu reproduziert es sich auf natürliche Weise selber und ist am Ende seines Lebens „ökologisch abbaubar“. Und in der Landwirtschaft hilft es, Bodenverdichtungen zu verringern oder gar zu vermeiden.


