07.11.2025

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Folge 44-23 vom 03. November 2023 / Für Sie gelesen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-23 vom 03. November 2023

Für Sie gelesen

Mit Weitsicht und Exaktheit

Die Geschichte Westpreußens ist schwer zu fassen und das Ringen um historische Wahrheit der Geschichtsschreibung nicht weniger. Deshalb beschreiben die zwölf Autoren im „Westpreußischen Jahrbuch“ – dem Vorschlag des Historikers Jörg Hackmann folgend – die frühere preußische Provinz als europäische Kulturregion. Denn der Name „Westpreußen“ umfasste seit der Ersten Teilung Polens 1772 wechselnde Provinzteile. 

Noch nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung konnte die Frage der deutsch-polnischen Benennung des Raumes nicht überzeugend gelöst werden. Vom Osteuropaexperten Hans-Jürgen Bömelburg wird im Beitrag zu Recht hervorgehoben, dass die untere Weichselregion und Westpreußen mit ihrem kosmopolitischen Bürgertum wegweisende Übersetzungen erzeugte und namhaften Autoren mit internationalem Ruf Platz bot, nicht zuletzt dem Literaturnobelpreisträger Günter Grass. Auch die Sprachbarriere zwischen dem Polnischen und dem Deutschen scheint damals keine große Rolle gespielt zu haben. Noch rühmlicher für die polnische und europäische Geschichte bleibt die Tatsache, dass um 1980 in der unteren Weichselregion und in Danzig die Solidarność zu einer Bewegung heranwuchs, die am Fall des „Eisenern Vorhangs“ entscheidenden Anteil hatte.

Frank Golczewski schildert die kriegerischen Auseinandersetzungen im polnisch-sowjetischen Krieg 1920. Polen gewann durch seine Siege gegen Russland in der Region an Bedeutung, eine Tatsache, die das Selbstbewusstsein der Polen gegenüber Russland noch heute prägt.

Dem Bild der Deutschen in der polnischen Presse geht Beata Lakeberg in damaligen Zeitungen nach: Es blieb stereotyp, geprägt von Kritik an deutschem übertriebenen Nationalismus und abschätziger Haltung.   

Schon 1939 bricht der Angriff der Deutschen Wehrmacht auf Polen los. Diesen Bruch mit der Zivilisation nimmt Daniel Brewing (Aachen) auf: Die Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung waren verknüpft mit einem primitiven Feindbild, das die deutsche Propaganda malte: gewalttätige und hinterhältige Polen. Befördert wurde das noch durch ein Pogrom an der deutschen Bevölkerung in Bromberg 1939. Eine Entgrenzung von Gewalt, die sich in der deutschen Besatzungszeit umgekehrt fortsetzte und vier Millionen Polen das Leben kostete, darunter drei Millionen Juden.  

Jedem Beitrag haben die Redakteure ein deutsches und ein polnisch-sprachiges Abstract beigegeben, was die Rezeption sehr erleichtert. Das Buch ist ein leuchtendes Beispiel für wissenschaftliche Weitsicht und Exaktheit in der Ausführung, wie sie nicht immer zu finden ist. 

Roger Töpelmann

Westpreußische Gesellschaft (Hg.): „Westpreußen-Jahrbuch 69/70 (2019/2020): Studien zur europäischen Kulturregion an der unteren Weichsel“, Westpreußen-Verlag, Münster 2023, gebunden, 231 Seiten, 25,90 Euro