Die Europäische Union geht davon aus, dass die Aufzucht und Haltung von Nutzvieh dem Klima und der Umwelt schade. Deshalb strebt sie nach einer Reduzierung der Bestände, wobei die Niederlande offenbar als Experimentierfeld dienen. Denn die EU sagte der Regierung in Den Haag 1,47 Milliarden Euro zu, um den Ankauf sowie die „freiwillige, endgültige und unwiderrufliche“ Schließung von 3000 angeblich besonders umweltbelastenden Landwirtschaftsbetrieben zu finanzieren. Dadurch will man den Stickstoffeintrag in Naturschutzgebiete reduzieren, wobei es bis 2030 zu einem diesbezüglichen Rückgang von nicht weniger als 50 Prozent kommen soll.
Gegenüber den Landwirten wird mit Zuckerbrot und Peitsche agiert. Bei einer Annahme des „Angebotes“, ihre Höfe stillzulegen und danach in keinem anderen EU-Land neu anzufangen, erhalten sie 120 Prozent des Wertes ihres Besitzes. Weigern sie sich, droht die Enteignung zu schlechteren Konditionen. Allerdings ist der Marktpreis von Landwirtschaftsbetrieben im Umfeld von Naturschutzgebieten inzwischen um die Hälfte gesunken. Deshalb haben bisher lediglich 20 Bauern aufgegeben und verkauft. Und 200 weitere tragen sich mit der Absicht, das Gleiche zu tun, womit die Ziele der Politiker in Brüssel und Den Haag deutlich verfehlt wurden.
Aus diesem Grunde ziehen die Politiker die Daumenschrauben noch weiter an. Während der Beratungen zwischen dem niederländischen Kabinett und Vertretern der Bauernschaft über ein neues Agrarabkommen hieß es plötzlich, zur Reduzierung der Stickstoffemissionen sei auch eine Obergrenze von 2,5 bis drei Kühen pro Hektar Grünland nötig. Das freilich ist unannehmbar, wie Henk Bleker, der Vorsitzende der Interessenvertretung der Milchbauern der Niederlande NMV, gegenüber der Tageszeitung „AD“ erklärte: „Wir haben das ausgerechnet, und dann wird mindestens einer von fünf Milchbauern in Schwierigkeiten geraten.“
Jeden Monat zwei Selbstmorde
Damit enden die Hiobsbotschaften aber noch nicht. Aus einem Bericht des britischen Blattes „The Telegraph“ geht hervor, dass die Regierung in Den Haag weitere Auflagen in Erwägung ziehe. Dabei gehe es um die Errichtung emissionsarmer Ställe sowie die Reduzierung von Pestiziden und die Verbesserung der Gülleverarbeitung.
Angesichts all dessen stehen viele niederländische Landwirte unter großem psychischen Druck, der sogar zu Suiziden führt. Hierauf machten unter anderem die Aktivistin Eva Vlaardingerbroek und der Europaabgeordnete Robert Roos von der konservativ-liberalen Partei JA21 aufmerksam. Laut Vlaardingerbroek nehmen sich derzeit etwa zwei niederländische Bauern pro Monat das Leben.
Während die Bedingungen für die Fleisch- und Milchproduzenten in unserem Nachbarland immer schlechter werden, investieren Anleger in Unternehmen, die „Kunstfleisch“ in Bioreaktoren züchten wollen, wie die in Maastricht ansässige Firma Mosa Meat. Zu deren Geldgebern zählen unter anderem der Google-Gründer Sergey Brin und der Hollywood-Schauspieler Leonardo DiCaprio.


