07.11.2025

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Folge 45-23 vom 10. November 2023 / Analyse / Wo steht Russland?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-23 vom 10. November 2023

Analyse
Wo steht Russland?
Manuela Rosenthal-Kappi

Weil der seit Anfang Oktober tobende Krieg in Gaza die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von der Ukraine abgelenkt hat, schlussfolgern viele Medienvertreter hierzulande, dass Wladimir Putin vom Überfall der Hamas auf Israel profitiere. 

In der Tat hat der russische Präsident das Massaker, das die Hamas am 7. Oktober während eines Festivals in der Nähe des Gazastreifens an israelischen Zivilisten begangen hat, nicht verurteilt, jedoch hat er in der Vergangenheit immer wieder eine Vermittlerrolle angeboten. Angesichts der eigenen Verwicklung in einen Krieg und der unmittelbaren Schuldzuweisung an den We­sten dürfte ihm aktuell eine solche Rolle aber niemand abnehmen.

Obwohl es keine Beweise für eine Beteiligung Russlands gibt, unterstellen westliche Medien, die sich auf Informationen von US-Geheimdiensten stützen, dass Moskau für Waffenlieferungen an die Hamas verantwortlich sei. Beispielsweise soll das Flugabwehrsystem Pantsir, das für Syrien bestimmt war, mit Assads Zustimmung an die Hisbollah im benachbarten Libanon geliefert werden. Die Hisbollah kam durch die Beteiligung am Syrienkrieg schon in den Besitz zahlreicher Waffensysteme russischer Bauart. Mit der Tatsache, dass Teheran die Hisbollah unterstützt und der Iran Russlands Verbündeter ist, soll Moskaus Schuld bewiesen sein. Dem Iran wird zudem vorgeworfen, an der Planung des Überfalls auf Israel beteiligt gewesen zu sein. 

Gefahr des Islamismus in Russland

Putin ist auch auf die arabischen Staaten als Wirtschaftspartner angewiesen und nutzt deren Ressentiments gegen den Erzfeind USA bei seinem eigenen Kampf gegen den „US-Imperialismus“. Eine Ausweitung des Islamismus in Russland, in dem rund 20 Millionen Moslems leben, birgt Gefahren für die innere Sicherheit. Der Vorfall auf dem Flughafen von Machatschkala, der Hauptstadt der überwiegend von sunnitischen Moslems bewohnten Republik Dagestan, ist ein Beispiel dafür. Dort waren Ende Oktober 1500 Menschen in den Flughafen eingedrungen, weil eine Maschine aus Tel Aviv gelandet war, an deren Bord sich Flüchtlinge aus Israel befinden sollten. Mehr als 20 Menschen wurden verletzt, 85 Personen festgenommen. Der Gouverneur der Region versicherte, die Lage im Griff zu haben. Zur Hilfe eilte ihm der putintreue Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow, der den Beamten befahl, drei Warnschüsse auf einen Randalierer abzugeben und den vierten in den Kopf. 

Zwischen allen Stühlen

In einigen russischen Medien wurde sehr ausführlich über den Konflikt im Gazastreifen berichtet. Die als kremltreu geltende Online-Zeitung „lenta.ru“ ließ Augenzeugen beider Seiten zu Wort kommen, die von den Schrecken der Ereignisse berichteten. Die Schilderungen ähneln sich, da Zivilpersonen gleichermaßen von der Angst um ihre Angehörigen und der Trauer um ihre Toten ergriffen sind. Es folgten Erläuterungen, wer die Hamas sind sowie eine Chronik ihrer Anschläge auf Israel.

Die „Nesawissimaja Gazeta“ (NG)nahm indes die Wirkung des Narrativs von der „Schuld des Westens“ auf die russische Bevölkerung unter die Lupe. Laut Umfragen der „Stiftung Öffentliche Meinung“ (FOM) befürworten nur zehn Prozent der Russen diese Sichtweise. 

73 Prozent unterstützen niemanden und jeweils zehn Prozent sind für Israel oder Palästina. Bei einer Umfrage vom November 2012 sympathisierten 13 Prozent mit Israel und nur fünf Prozent mit Palästina. Die „NG“ sieht die öffentliche Meinung ganz klar von Medien, Politikern und Diplomaten beeinflusst, zumal mehr über die Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung berichtet werde. 

Angesichts der Bedrohung durch radikale muslimische Strömungen im eigenen Land, die Moskau bislang stets unterdrücken konnte, kann sich der Kreml eine eindeutige Unterstützung der Hamas kaum leisten. Zudem pflegt der russische Präsident eine freundschaftliche Beziehung zu Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die er wegen des kürzlichen Empfangs von Hamas-Vertretern in Moskau bereits aufs Spiel gesetzt hat. Zwei Millionen Russen leben in Israel und seit dem Beginn des Ukrainekriegs wanderten weitere 37.000 nach Israel aus. 

Unter der russischen Bevölkerung macht sich zudem eine schleichende Kriegsmüdigkeit breit. Die Verwicklung in einen weiteren Konflikt könnte die Stimmung kippen lassen.