08.11.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 45-23 vom 10. November 2023 / Porträt / Der nächste Fall Palmer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-23 vom 10. November 2023

Porträt
Der nächste Fall Palmer
H. Tews

Lokalpolitiker nehmen die Entwicklung in der Gesellschaft anders wahr als die im Berliner Elfenbeinturm tagende Elite. Das mussten die Grünen bereits mit dem streitbaren Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer erleben, der in seinem realpolitischen Alltag nichts mit dem abgehobenen, ökofundamentalistischen Kurs seiner eigenen Partei anfangen konnte und den Grünen deshalb bereits im Mai den Rücken kehrte.

Einen ähnlichen schmerzhaften, wenngleich von weniger medialem Getöse begleiteten Austritt musste in diesen Tagen die SPD verkraften. Stefan Kerth, seit 2018 Landrat des Landkreises Vorpommern-Rügen, trat nach mehr als 20-jähriger Parteimitgliedschaft bei den Roten aus. Die von den Sozialdemokraten mitverantwortete Asylpolitik und das Bürgergeld brachten bei ihm das Fass zum Überlaufen, nachdem er sich zuvor schon über die Asylpolitik geärgert und seine Kritik daran geäußert hatte.

„Seit Längerem nehme ich die Politik der SPD und des politischen Lagers links der Mitte als zu stark gesinnungsgeleitet und unzureichend an der Lebensrealität orientiert wahr“, erklärte der aus Parchim stammende 50-jährige Lokalpolitiker, der von 2007 bis 2018 Bürgermeister der Stadt Barth war. Trotz der auch in seiner Region sichtbaren zugespitzten Lage habe die SPD den Asylkurs nur inkonsequent geändert. Der Erfolg der AfD sei nach seiner Beobachtung „eine direkte Folge einer von vielen als abgehoben und wirklichkeitsfremd empfundenen Politik“.

Der gelernte Augenoptiker, der nach 1989 das Abitur nachholte, um in Rostock Jura zu studieren, kritisierte aber auch die Toleranz der Parteioberen gegenüber einer in migrantischen Milieus verbreiteten Intoleranz: „Selbst beim Herzensthema der Gleichberechtigung von Frauen schaut man bereitwillig weg.“

Nach seinem Austritt aus der SPD, in deren Landesvorstand er einige Jahre tätig war, bleibt er parteiloser Landrat. Einer anderen Partei werde sich Kerth nicht anschließen, hieß es. Dabei wartet mit der Wagenknecht-Partei eine Alternative, die für viele andere enttäuschte SPD-Genossen attraktiv sein könnte.