07.11.2025

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Folge 45-23 vom 10. November 2023 / TV-Kritik / Gewalt, Rassismus, Lüge und anderer Sondermüll / Wenn Hallenser mit einer Orgie der Eindimensionalität übergossen werden – ARD-Serie über Umweltaktivisten badet in Tristesse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-23 vom 10. November 2023

TV-Kritik
Gewalt, Rassismus, Lüge und anderer Sondermüll
Wenn Hallenser mit einer Orgie der Eindimensionalität übergossen werden – ARD-Serie über Umweltaktivisten badet in Tristesse
Anne Martin

Wie ticken Umweltaktivisten, die für die vermeintlich gute Sache demonstrieren, dabei mit Flaschen werfen und sich immer weiter radikalisieren? Was die sechsteilige MDR-Serie „Wer wir sind“ (15. November ab 20.15 Uhr und 17. November ab 22.20 Uhr, Das Erste) versucht, ist pflichteifriges Mainstream-TV voller  plumper Klischees. Ein „Mikrokosmos“ soll am Schauplatz Halle ausgebreitet werden, aber diese Mischung aus Rassismus, Lüge und Gewalt geht an der Realität vorbei. 

Selbstredend wird die Stadt an der Saale von grölenden Skinheads und Neonazis dominiert, Menschen mit anderer Hautfarbe werden von der offenbar rechts unterwanderten Polizei schikaniert, selbstredend sind Unternehmer hier skrupellose Geschäftemacher, und jugendliche Systemsprenger aus prekären Verhältnissen fallen prompt durchs Netz, anstatt dass ihnen geholfen wird. Schon in der ersten Folge wird ein schwarzer Halbwüchsiger von einem Kaugummi kauenden Polizisten aus der demonstrierenden Menge gefischt und streng verhört. Die Szene endet damit, dass der Polizist den Jungen zu Boden drückt und seinen Hals mit dem Knie fixiert. Genau so ein Gewaltakt, begangen von einem amerikanischen Cop an einem Schwarzen, löste vor drei Jahren die „Black-­Lives-Matter“-Bewegung aus. Was aber die Parallele belegen will, ist unklar.

Eindimensional geht es weiter: Der Unternehmer Noll, gegen dessen unerlaubte Giftmüllverklappung die Jugendlichen demonstrieren, wird als aalglatter Kapitalist gezeichnet, der in jeder Satire auftreten könnte und von Jörg Schüttauf auch so gespielt wird. Systemsprenger Dennis, der erst einen Kiosk ausraubt, später ein Auto knackt und mit seinem kleinen Bruder auf dem Beifahrersitz Mülltonnen umfährt, lebt in einer Jugendgruppe, verwaltet von einem überforderten Sozialarbeiter. Seine Mutter, dumpf vor dem Fernseher brütend, wirft sich einem gewalttätigen Neonazi an den Hals und sperrt den kleineren Sohn gerne auf dem Balkon aus. Tristesse allerorten.

Überzogen auch die Haltung der Kommissarin Catrin (Franziska Weisz), die die Vorschriften ihres Berufes gleich mehrfach unterläuft: Erst löscht sie Beweise, die ihre Tochter Luise (Lea Drinda) als Mitläuferin bei den Demos zeigen, später lässt sie sich von ihrem rabiaten Kollegen und Teilzeit-Lover Marco (Robin Sondermann) dazu erpressen, dessen rechtswidriges Verhalten bei der Vernehmung des schwarzen Jungen zu vertuschen. Der MDR stellte nur die ersten drei Folgen für eine Berichterstattung zur Verfügung. Fraglich, ob die Zuschauer bis zum Schluss dranbleiben mögen.