08.11.2025

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Folge 46-23 vom 17. November 2023 / „Wir Juden sind lediglich die Ersten“ / Warum der jüngste Terror der Hamas und die Aktionen ihrer Sympathisanten nicht nur dem Staat Israel und den weltweit lebenden Juden gelten, sondern auch Deutschland sowie dem Westen und seiner Lebensart insgesamt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-23 vom 17. November 2023

„Wir Juden sind lediglich die Ersten“
Warum der jüngste Terror der Hamas und die Aktionen ihrer Sympathisanten nicht nur dem Staat Israel und den weltweit lebenden Juden gelten, sondern auch Deutschland sowie dem Westen und seiner Lebensart insgesamt
René Nehring

Im Gespräch mit Malca Goldstein-Wolf

Der Terror der Hamas gegen Israel hat die Welt verändert. Längst schlagen die Wellen des Islamismus auch nach Deutschland herüber. Über die Folgen für Israel und die Juden sowie nicht zuletzt auch die deutsche Gesellschaft sprach die PAZ mit einer engagierten deutsch-jüdischen Patriotin. 

Frau Goldstein-Wolf, mit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober hat sich die Lage für Israel und für die Juden weltweit dramatisch verändert. Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie die Meldungen davon vernommen haben? 

Als ich die Nachrichten am Morgen des 7. Oktobers las, war ich in Schockstarre. In meiner Gedankenwelt war Israel bislang nahezu unanfechtbar. Wir Juden hatten Israel immer als eine unglaublich sichere Lebensversicherung im Kopf: Egal, was uns in der Welt zustoßen wird, dort gibt es zur Not immer ein sicheres Zuhause. 

Vermutlich niemand hat damit gerechnet, dass die Hamas Israel und seine Bürger auf israelischem Boden attackieren würde. Zwar sind wir es gewohnt, dass uns arabische Terroristen mit Raketen beschießen, doch waren wir unter dem „Iron Dome“ der IDF (Israel Defense Forces, deutsch: Israelische Verteidigungsstreitkräfte – Anmerkung der Redaktion) doch recht sicher. Aber dass Hamas-Terroristen die israelischen Grenzzäune durchdringen konnten, das war vorher undenkbar und sorgt nun für ein ganz neues Gefühl der Fassungslosigkeit. 

Der Gründungsimpuls des Staates Israel war ja, dass die Juden eine sichere Heimstatt haben sollen; einen Staat, in dem sie nicht in der Minderheit und somit auch nicht wehrlos sein würden. Ist dieses Selbstverständnis durch den 7. Oktober angeschlagen worden? 

Einerseits durchaus, andererseits hat der Terror Israel auch wieder zusammengeschweißt. Erst vor Kurzem gab es große innere Verwerfungen wegen der Justizreform der Regierung Netanjahu. Doch nun in der Not stehen alle politischen Lager beisammen. Und innerhalb der israelischen Bevölkerung sowie auch in der jüdischen Diaspora weltweit gibt es eine unglaubliche Solidarität. Von überall strömen nun Juden nach Israel, um freiwillig für ihr Land zu kämpfen. Und etliche Zivilisten unterstützen die Soldaten, zum Beispiel, indem sie ihnen Essen bringen. 

Insofern hat der 7. Oktober Israel sicherlich erschüttert, am Ende jedoch auch das jüdische Bewusstsein gestärkt. Wir Juden werden dieses kleine Fleckchen Erde namens Israel niemals kampflos aufgeben. Wir haben verstanden, dass wir zuletzt arglos waren und nicht genug aufgepasst haben. Aber es ist völlig klar, dass wir alle ganz stark beieinanderstehen und alle nur ein Ziel haben – dieses Land zu schützen. Natürlich bedeutet das auch, dass Israel jetzt kämpfen muss. Da setzen wir Juden stark auf die IDF und sind sicher, dass diese tapferen Jungs und Mädels das Geschehen wieder in den Griff bekommen. 

Skeptisch bin ich jedoch, dass die Hamas ausgelöscht werden kann. Denn Hamas ist weniger eine Organisation als vielmehr eine Ideologie – wie beim Islamischen Staat, bei der Hisbollah und bei den Taliban. Eine solche Ideologie auszulöschen ist schwer bis unmöglich. Aber möglicherweise gelingt es, ihre Vertreter so zu schwächen, dass von ihr künftig weniger Gefahren ausgehen. 

Alles zusammen genommen bin ich für Israel guter Hoffnung. Weniger gute Hoffnung habe ich leider für mein Heimatland, in dem ich geboren bin – nämlich Deutschland. 

Sie spielen auf die antiisraelischen Demonstrationen seit dem 7. Oktober in deutschen Straßen an? 

Richtig. Fast täglich sehen wir Bilder, wie tausende Islamisten in unserem Land Straßen und Plätze belegen sowie offen antisemitische Hetze betreiben und dies fast immer ohne Folgen bleibt. Nach einem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge im Oktober 2000 forderte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder einen „Aufstand der Anständigen“. Jetzt wäre die Zeit für einen Aufstand der Zuständigen. Und zwar der zuständigen Entscheider in Politik und Verwaltung, um diese Hetze und Verherrlichung von Terror gegen Juden zu unterbinden. 

Was sagen Sie zu den Bekenntnissen einiger Repräsentanten des Staates, dass Judenhass in Deutschland keinen Platz habe? 

Das sind doch nur folgenlose Lippenbekenntnisse! Ich habe den Eindruck, dass wir mit ein paar schönen Worten abgespeist werden sollen. Dass tatsächlich etwas passiert, kann ich jedenfalls nicht erkennen, außer dass Kanzler Scholz und sein Minister Habeck deutlich gemacht haben, dass sie von der bisherigen Einwanderungspraxis, die ja zu der jetzigen Lage geführt hat, kaum abrücken wollen. 

Auch der Umgang mit der Hamas in Deutschland spricht Bände. Obwohl diese Organisation gegründet wurde, um Israel zu vernichten, und obwohl sie aus dieser Absicht nie einen Hehl gemacht hat, konnte sich die Hamas bislang in Deutschland frei austoben. Noch skandalöser sind die angeblichen Verbotsbestrebungen. Anstatt diesen Schritt hinter den Kulissen vorzubereiten und dann zuzuschlagen, stellte sich der Bundeskanzler hin und verkündete die Verbotsabsicht in aller Öffentlichkeit. Da anschließend nichts weiter geschah, wirkte Scholz’ Ankündigung wie eine Warnung an die Terroristen, schnell noch alle Geldmittel und sonstigen Ressourcen in Sicherheit zu bringen. Und als dann seine Innenministerin endlich das Verbot anstieß, informierte sie die ausführenden Bundesländer nicht, wodurch auch dieser angebliche Schlag seine Wirkung verfehlte.

Und übrigens: Eine Woche, nachdem das Verbot gegen die Organisation „Samidoun“ ausgesprochen wurde, funktionieren sämtliche soziale Medienkanäle dieses Netzwerks noch immer. Die angeblich verbotene Organisation ist also nach wie vor aktiv. 

Insofern fühle ich mich als deutsche Jüdin auf den Arm genommen. Das betrifft auch das Gerede von der angeblichen „deutschen Staatsräson“, die Israels Existenz und Sicherheit angeblich sein soll. Gleich bei der ersten Gelegenheit, sich vor der Welt zu Israel zu bekennen, nämlich bei der Abstimmung über die Gaza-Resolution der UNO, hat diejenige Ministerin, die bei ihrem Amtsantritt eine „wertegeleitete Außenpolitik“ proklamierte, für Deutschland die feige Enthaltung vorgezogen. 

Als geradezu heuchlerisch empfinde ich inzwischen die offiziellen Reden zu Gedenktagen wie in der vergangenen Woche zum 9. November. Was nützen uns klagende Worte über die toten Juden, wenn man die lebenden im Stich lässt? 

Wie werten Sie allgemein das Agieren einer auftrumpfenden Hamas in Deutschland – und die zögerliche Haltung der deutschen Politik dazu?  

Was hier passiert entspricht in großen Teilen dem, was Michel Houellebecq in seinem Buch „Unterwerfung“ schon vor Jahren am Beispiel Frankreichs prophetisch beschrieben hat.

Das Auftreten der Hamas und anderer muslimischer Organisationen zeigt auch, dass der Kampf des extremistischen Islamismus nicht nur den Juden gilt. Wir Juden sind lediglich die ersten. Christen, Ungläubige, Frauen, Schwule und viele andere folgen uns auf dem Fuß. Auch wenn ich hoffe, dass ein Großteil der in Deutschland lebenden Muslime friedlich mit uns Juden zusammenleben will, gibt es allein in Deutschland zehntausende Extremisten, die der westlichen Gesellschaft den Kampf ansagen und sie durch eine islamische Ordnung ersetzen wollen. Deshalb mache ich mir um unsere Gesamtgesellschaft Sorgen. 

Was sollte man dem entgegensetzen? 

Was uns in Deutschland unter anderem fehlt, ist ein positiver, gesunder Patriotismus. Patriotismus ist ja kein schlimmes Wort. Es bedeutet die Liebe zum eigenen Land und die Bereitschaft, sich für dieses Land einzusetzen. Eine solche Einstellung, die andernorts normal ist, wünschte ich mir für Deutschland. Wohin sollen wir denn Zuwanderer – egal, aus welchem Kulturkreis – integrieren, wenn wir selbst nicht wissen, wer wir sind? 

Ich bin in Deutschland geboren, ich liebe dieses Land. Aber ich habe – anders als es in Israel spürbar ist – leider nicht den Eindruck, dass die Deutschen bereit sind, für dieses Land auf die Straße zu gehen oder gar in die Schlacht zu ziehen. 

Was sehen Sie als Ursache dafür? 

Ich glaube, viele Deutsche haben einfach Angst, dass, wenn sie von Patriotismus reden, sie in die „rechte Ecke“ gestellt werden. Zur Wahrheit über unsere Zustände gehört eben auch, dass diejenigen, die frühzeitig auf die gefährlichen Begleitumstände einer unkontrollierten Zuwanderung hingewiesen haben, entweder abgekanzelt und im öffentlichen Raum zu unerwünschten Personen erklärt oder gleich von den reichweitenstarken Medienplätzen verbannt wurden. 

Und jetzt, wo das ganze Drama der geplatzten Multikulti-Phantasien offensichtlich wird, tun Journalisten und Medien so, als ob sie mit der Entwicklung nichts zu tun hätten. 

Lassen Sie uns nochmal zur Motivation der muslimischen Demonstranten in Deutschland zurückkommen. Wie kann es sein, dass sie gegen eine Gesellschaft demonstrieren, die bereit war, sie aufzunehmen? 

Das ist eine der vielen rational nicht erklärbaren Umstände dieser Leute. Ich bin jedenfalls sicher, dass es ihnen nicht um die Sache der palästinensischen Araber oder auch nur der Muslime geht. Denn in zahlreichen Ländern werden Muslime zu Tausenden von anderen Muslimen abgeschlachtet – und niemand protestiert gegen den Brudermord. Doch jetzt, wo Israel und die Juden und der Westen im Spiel sind, ziehen sie wild durch die Straßen. 

Ihnen geht es darum, den Hass auszuleben, den viele schon mit der Muttermilch aufgesogen haben. Der Hass wird weiter in den Moscheen zelebriert, selbst hier in Deutschland. Wir wissen aus einigen Moscheen von islamistischen Verbänden, dass auch dort Juden aufs Schärfste diffamiert werden und Israel als „Dolch im Herzen der Welt“ bezeichnet wird. Und da die Hassprediger wissen, dass sie in Deutschland keine harte Antwort des Staates zu befürchten haben, machen sie ungestört weiter. 

Man kann Dinge sicherlich nicht vergleichen. Aber bei den Corona-Maßnahmen war die Politik sehr kreativ, um ihr nicht genehme Demonstrationen zu verhindern. In Berlin wurden sogar Wasserwerfer gegen friedliche Demonstranten eingesetzt. Warum greift dann die deutsche Polizei nicht härter durch, wenn nun auf einer Demonstration „Tod den Juden“ gegrölt wird? 

Glauben Sie, dass die Entscheider in Politik und Behörden Angst vor einer Eskalation der Lage haben? Weil sie insgeheim wissen, dass längst zu viele Menschen mit einer zweifelhaften Gesinnung in unserem Land leben, sodass die Gefahr bürgerkriegsähnlicher Zustände besteht? 

Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, halte es aber für möglich. Sicher ist jedoch: Wenn wir keine klare Kante zeigen und stattdessen den Kopf weiter in den Sand stecken, wird das Problem nicht kleiner. Die Prediger des Hasses werden uns nicht nur weiter auf der Nase herumtanzen, sondern immer weiter öffentliche Räume besetzen und ihren Einfluss ausweiten. Und sie werden immer deutlicher die Machtfrage stellen. 

Insofern sind der 7. Oktober und die Tage danach auch ein Weckruf an uns. In Israel geht es um die Existenz des jüdischen Staates – bei uns geht es um den Erhalt unserer deutschen, unserer westlichen Kultur und Lebensart. 

Das Gespräch führte René Nehring.





Zur Person

Malca Goldstein-Wolf ist eine deutsch-jüdische Publizistin und Aktivistin, die sich gegen Judenhass engagiert. Sie ist unter anderem ehrenamtliches geschäftsführendes Mitglied des deutschen Präsidiums von Keren Hayesod, Israels größter Spenden-organisation für jüdische Menschen in Not.

www.keren-hayesod.de