Vergangenen Dienstag beschloss die Fraktion Die Linke im Bundestag ihre Auflösung zum 6. Dezember. Vergangenes Jahr hatte die Linksfraktion rund 11,5 Millionen Euro staatlicher Zuwendungen erhalten, 9,3 Millionen gab sie für Personal aus. Derzeit beschäftigt sie rund 100 Mitarbeiter, nicht wenige von ihnen dürften arbeitslos werden. Viele in Partei und Fraktion nennen die der Fraktionsauflösung vorausgegangene Abspaltung Sahra Wagenknechts, die wohl zehn Abgeordnete in ihr neues Projekt mitnehmen wird, daher „asozial“.
Und doch macht sich auch Erleichterung breit. „Die Zeit der lähmenden Selbstbeschäftigung muss vorbei sein“, sagte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch in der vergangenen Woche. Man werde den Blick nun wieder nach vorne richten, die Parteispitze und die künftige parlamentarische Gruppe würden nun wieder Hand in Hand arbeiten. Martin Schirdewan, einer der beiden Parteivorsitzenden, hat von der größtmöglichen Geschlossenheit gesprochen.
Inhaltlich möchte man mit einem Klimageld in Höhe von 200 Euro für kleine und mittlere Einkommen sowie der Forderung nach dem „größten Investitionsprogramm“ in der Geschichte der Bundesrepublik punkten. Schirdewans Co-Vorsitzende Janine Wissler stellt den Asyl-Kompromiss der Ampel in Frage und kommt zu der überraschenden Erkenntnis, dass es in Deutschland „kein Migrations- sondern ein Verteilungsproblem“ gebe. Wie und wo die Linke mit diesen Forderungen punkten will, bleibt unklar, abgesehen von fundamentalistischen Grünen und Profiteuren grüner Politik, denen die Zugeständnisse der Grünen gegenüber den Koalitionspartnern in der Regierungskoalition auf Bundesebene zu weit gehen. Die verbliebenen Hochburgen in Mitteldeutschland könnten durch Wahlantritte von Wagenknechts Bündnis ernsthaft geschwächt werden. Im Westen drohen ohnehin nur wenige Linke zu Wagenknecht wechseln zu wollen.
Hoffnung bereitet derzeit vor allem eine Umfrage aus Hamburg. Dort käme die Linkspartei bei den Bürgerschaftswahlen derzeit auf zehn Prozent. Parteistrategen richten den Blick daher auf urbane Zentren mit hohem Migrantenanteil und sozialem Gefälle. Die Nominierung der Klima- und Schleusungsaktivistin Carola Rackete für die Europawahl ist ein deutlicher Fingerzeit in diese Richtung.
Der wohl populärste Linken-Politiker der Parteigeschichte, Gregor Gysi, hat unlängst in einem Interview erklärt, die Partei sei oft totgesagt worden und noch öfter wieder aufgestanden. Was er nicht sagte war, dass es vor allem sein Verdienst war. „Ich will die Partei retten“, sagte Gysi kürzlich. Im Januar wird er 76 Jahre alt. Der bisherige Fraktionschef Bartsch ist zehn Jahre jünger, überlegt aber derzeit, ob er im Bundestag seine Abschiedsrunde dreht. Es sind nach Wagenknecht die bekanntesten Politiker der bisherigen Linken. Um sich neu zu erfinden, bräuchte es neues, unverbrauchtes Personal mit bundesweiter Strahlkraft. Alleine, es ist nicht in Sicht.


