Aus Anlass des Tages der Einheit des Volkes, an dem in Russland der 1612 erfolgten Befreiung Moskaus von den damaligen polnisch-litauischen Besatzern gedacht wird, veröffentlichte der frühere russische Präsident und derzeitige stellvertretende Chef des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, Dmitri Medwedew, einen Artikel in der Tageszeitung „Rossijskaja Gaseta“ mit dem Titel: „Polen: Größenwahn, Minderwertigkeitskomplex und Phantomschmerzen eines gescheiterten Imperiums“.
Darin betitelt er Polen als „historischen Loser“ (Verlierer) und „Staat im Hinterhof“, der nicht zuletzt von „bestialischer … Judenfeindlichkeit“ und „zoologischer Russophobie“ geleitet werde. Deshalb unterstütze Warschau auch das „sterbende Kiewer Regime“, wohinter freilich keine Solidarität mit der Ukraine stecke, sondern das Ziel, auf Kosten des Nachbarlandes und anderer osteuropäischer Staaten die Vorherrschaft in der Region bis zur russischen Grenze zu erringen. So habe die polnische Regierung unter anderem „die Absicht, bei einer günstigen Gelegenheit die Ländereien der Westukraine in die Hände zu bekommen“.
Seine Kritik an Polen begründet Medwedew mit ausführlichen historischen Exkursen, die erklären sollen, woher die „Komplexe und Neurosen“ Polens stammen. Dabei erwähnt er auch etliche „abscheuliche Gräueltaten“ gegen Angehörige der Roten Armee im Polnisch-Sowjetischen Krieg von 1919 bis 1921 sowie die „aktive Teilnahme“ von Polen an der „Endlösung der Judenfrage“.
Dem folgt die düstere Prophezeiung: „Die Geschichte hat den arroganten Polen mehr als einmal ein unbarmherziges Urteil erteilt: Egal wie ehrgeizig ihre revanchistischen Pläne auch sein mögen, ihr Scheitern kann zum Untergang der gesamten polnischen Staatlichkeit führen. Und diejenigen, die gestern noch verlässliche Verbündete zu sein schienen, werden das geschwächte Land in jedem günstigen Moment nur für ihre eigenen, engstirnigen Eigeninteressen nutzen. Sie werden es verraten und verkaufen … Leider wollen die schwachsinnigen Herren in Warschau nicht die Lehren aus ihrer eigenen Geschichte ziehen. Aber in nicht allzu ferner Zukunft wird sie sich an ihnen rächen … und den polnischen Eliten ihre unheilvolle zyklische Natur vor Augen führen.“
Ganz zum Schluss seiner Ausführungen stellt Medwedew dann noch die rhetorische Frage: „Werden wir … über den Zusammenbruch der modernen polnischen Staatlichkeit traurig sein?“ Danach heißt es knapp und schneidend: „Man muss ehrlich sein. Es kann nur eine Antwort geben: Definitiv nicht!“
Die polnische Reaktion auf diesen Affront fiel bislang recht verhalten aus und beschränkte sich im Wesentlichen auf eine bemerkenswert nüchterne Replik von Stanisław Żaryn, seines Zeichens Staatssekretär in der Kanzlei von Premierminister Mateusz Morawiecki, über den Kurznachrichtendienst X: Der Artikel von Medwedew sei Teil der neuesten strategischen Bestrebungen des Kreml, die NATO zu destabilisieren und die existierende europäische Sicherheitsstruktur ins Wanken zu bringen.