Seit Wochen kommt es auf pro-palästinensischen Demonstrationen immer wieder zu antisemitischen Straftaten. Das Bundeskriminalamt hat seit dem Beginn des Krieges in Israel mehr als 2000 solcher Delikte gezählt.
Allerdings tobt der Hass auf Juden nicht nur auf deutschen Straßen. Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, warnte vor Antisemitismus an den Schulen. „Die Lage wird regional immer angespannter. Das gilt besonders für solche Schulen, an denen viele Schüler mit Wurzeln im arabischen Raum unterrichtet werden“, so Düll gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Laut dem Verbandschef herrsche an solchen Schulen ein gefestigtes antisemitisches Weltbild, das die Kinder und Jugendlichen zu Hause oder in den Schulen ihrer Heimatländer vermittelt bekommen hätten.
Angesichts der alarmierenden Entwicklung seit dem Angriff der Hamas auf Israel wirkt der Schwerpunkt eines „Zivilgesellschaftlichen Lagebildes Antisemitismus“, das die Amadeu-Antonio-Stiftung Anfang November vorgestellt hat, einigermaßen erstaunlich. Einleitend beschreiben die Studienautoren zwar, dass der Überfall der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung eine tiefgreifende Zäsur in der Geschichte Israels darstelle, die auch drastische Auswirkungen für Juden in Deutschland habe: „Die Lage für Jüdinnen*Juden wurde zunehmend bedrohlicher.“
Im Fokus der Publikation steht dann allerdings nicht der Antisemitismus migrantischer Milieus, der momentan ganz offen auf den Straßen und in den Schulen zur Schau gestellt wird. Thematisiert haben die Studienautoren stattdessen den Antisemitismus von rechts. Die Studienautoren beklagen: „Momentan wird die Rolle der extremen Rechten kaum diskutiert, weil der Blick – aus gutem Grund – auf die islamistischen und linken Gruppierungen gerichtet ist, die den Hamas-Terror verherrlichen und eine Grundlage für weitere antisemitische Vorfälle in Deutschland schaffen.“
Laut dem „Lagebild“ der Amadeu-Antonio-Stiftung führen Rechtsextreme „Angriffe auf die Erinnerung“ durch. Zumindest aus Sicht der Stiftung bekommt die Gedenkkultur und die Erinnerung an den Nationalsozialismus bereits Risse. „Israelbezogener Antisemitismus und Post-Shoah-Antisemitismus gehen oft Hand in Hand“, erklären die Verfasser des Lageberichts. Aufgezählt werden einige Fallbeispiele, etwa Schmierereien an Gedenkstätten.
Nachvollziehbare Zahlen zur eigentlich naheliegenden Frage, wie gravierend das Problem denn tatsächlich in Deutschland ist, bleibt das „Lagebild“ allerdings schuldig. Garniert ist die Publikation dafür mit Zitaten von Hans-Georg Maaßen oder AfD-Politikern wie Alexander Gauland, die damit gleich in einen rechtsextremen Kontext eingeordnet werden. Auch die Debatte um den Fall Aiwanger wird als Beispiel dafür angeführt, wie sich der politische Diskurs bereits verschoben habe.
Nach eigenen Angaben der Amadeu-Antonio-Stiftung wird das Lagebild im Rahmen der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus veröffentlicht. Diese werden wiederum durch den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland gefördert.
Ein Bericht des Berliner „Tagesspiegel“ lässt nun darauf schließen, dass Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) Geld für ein wichtiges Schulprogramm gegen Antisemitismus und Rassismus offenbar ab dem Jahresende einsparen will. Dabei soll es um das Bundesprogramm „Respekt Coaches“ gehen. Im vergangenen und in diesem Jahr hat das Ministerium das Programm mit insgesamt 67 Millionen Euro unterstützt. Streicht Paus nun das Geld, dann werden bundesweit an 600 Schulen Präventionskurse nicht mehr durchgeführt werden können. Das Familienministerium begründete den Wegfall der Gelder mit strengen Sparvorgaben, die für die gesamte Bundesregierung gelten würden. Verstörend ist dabei, dass Ministerin Paus nach den Silvesterkrawallen das Programm „Respekt Coaches“ gerade noch als vorbildlich gelobt hatte.
Auch die Wortmeldung des Vorsitzenden des Deutschen Lehrerverbands zum Antisemitismus in Schulen zeigt, dass es offenbar ein massives Problem gibt. Ein Sprecher des Zentralrats der Juden in Deutschland beklagte zudem, das Problem des offenen Antisemitismus an deutschen Schulen sei leider lange bekannt. Laut dem Sprecher ist die Dimension des Judenhasses an den Schulen allerdings ein Schock.


