Der Gazastreifen ist ein Relikt aus dem Ersten Arabisch-Israelischen Krieg von 1948/49 und beherbergt seit dieser Zeit eine Vielzahl von palästinensischen Flüchtlingen und deren Nachkommen. Mit seinen 360 Quadratkilometern entlang der Mittelmeerküste ist Gaza kleiner als das Bundesland Bremen, doch leben dort mehr als zwei Millionen Menschen in den sechs Städten Gaza, Chan Yunis, Dair al-Balah, Rafah, Bait Lahiya und Dschabaliya sowie etlichen ländlichen Siedlungen, denn ein Drittel des Gazastreifens ist bewässertes Ackerland.
International wird das seit 2007 von der Hamas kontrollierte Gebiet regelmäßig als „Hochburg des Elends“ oder „Größtes Freiluft-Gefängnis der Welt“ bezeichnet. Und tatsächlich ist die Situation der Bevölkerung vielfach prekär. So liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 80 Prozent und die Armutsquote bei 65 Prozent. Gleichzeitig sprechen manche Zahlen aber auch eine ganz andere Sprache.
Beispielsweise rangiert der Gazastreifen hinsichtlich der Geburtenrate und des Bevölkerungswachstums im absoluten Spitzenfeld. Erwähnung verdient zudem die Lebenserwartung von durchschnittlich 74 Jahren – das ist immerhin ein Jahr über dem globalen Mittelwert.
Ähnlich verhält es sich mit der Kindersterblichkeit: Die beträgt 1,6 Prozent bei einem weltweiten Durchschnitt von knapp vier Prozent. Dies alles resultiert nicht zuletzt daraus, dass vor den israelischen Vergeltungsschlägen in Reaktion auf das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 36 funktionierende Krankenhäuser in Gaza existierten.
Und auch die übrige Infrastruktur im Gazastreifen entspricht nicht unbedingt einem „Freiluft-Gefängnis“. Nach Angaben des Hilfswerkes der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) stehen den rund
441.000 Schülern in Gaza 640 Schulen zur Verfügung. Daher beträgt die Analphabetenquote auch weniger als ein Prozent.
Luxushotels und Vergnügungsparks
Bemerkenswert ist des Weiteren die Zahl der Hochschulen. Diese beläuft sich nunmehr bereits auf elf. Dazu kommen Sportanlagen sowie Freizeit- und Erholungseinrichtungen. Unter anderem gab es in Gaza zeitweise sechs Zoos, von denen im Sommer 2023 noch vier übrig waren, wobei die Tiere wie viele andere Dinge auch durch Tunnel aus Ägypten hereingeschmuggelt wurden.
Von einem relativ normalen Leben in Gaza zeugen zudem die drei Museen und unzähligen gepflegten Moscheen, von denen etliche von großer historischer Bedeutung sind.
Aufgrund seiner 40 Kilometer langen Sandstrände und des angenehmen Klimas hätte der Gazastreifen sogar zu einer Hochburg des Tourismus werden können – und eine Zeit lang sah es tatsächlich ganz danach aus: Luxushotels, Nobelrestaurants, Vergnügungsparks und exklusive Clubs schossen zu Beginn des 21. Jahrhunderts wie Pilze aus dem Boden und versprachen erhebliche Einnahmen.
Dann allerdings führten die Machtübernahme der Hamas und die nachfolgende forcierte Islamisierung der Gesellschaft sowie die grassierende Korruption und Misswirtschaft zu einem schnellen Niedergang der Tourismusindustrie, was analog auch für die übrige Wirtschaft im Gazastreifen galt.W.K.


