15.12.2025

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Folge 18-24 vom 03. Mai 2024 / Geheimdienst / Pleiten, Pech und Pannen beim Bundesverfassungsschutz / Die Geschichte der Inlands-Aufklärer durchzieht eine Kette von Skandalen, Rücktritten und Beispielen von völliger Inkompetenz – Ein Wunder, dass die „Haldenwang-Behörde“ überhaupt noch existiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-24 vom 03. Mai 2024

Geheimdienst
Pleiten, Pech und Pannen beim Bundesverfassungsschutz
Die Geschichte der Inlands-Aufklärer durchzieht eine Kette von Skandalen, Rücktritten und Beispielen von völliger Inkompetenz – Ein Wunder, dass die „Haldenwang-Behörde“ überhaupt noch existiert
Wolfgang Kaufmann

Das im November 1950 gegründete Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zählt mittlerweile zu den mächtigsten Behörden unseres Landes mit erheblichem gesellschaftlichen Einfluss, der immer weiter wächst. Dabei grenzt es an ein Wunder, dass das BfV heute überhaupt noch existiert, denn seine Geschichte ist über weite Strecken eine Aneinanderreihung von haarsträubenden Pannen und Affären.

So kamen anfangs mehrere hundert ehemalige Mitarbeiter aus dem Reichssicherheitshauptamt sowie der Gestapo und dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS im BfV oder den Landesämtern für Verfassungsschutz unter. Hierzu zählten Personen wie der frühere SS-Sturmbannführer Kurt Fischer, der auch im „Amt für Schädlingsbekämpfung“ des Vernichtungslagers Auschwitz „gedient“ hatte, oder Richard Gerken, welcher im Range eines SS-Hauptsturmführers an der Verfolgung der Widerständler des 20. Juli 1944 beteiligt gewesen war und dann im BfV als Leiter der Abteilung Spionageabwehr fungierte. 

Weil die DDR-Staatssicherheit und die sowjetischen Geheimdienste KGB und GRU oftmals von den verschwiegenen NS-Karrieren der Verfassungsschützer wussten, ist davon auszugehen, dass es den östlichen Diensten gelang, manche davon auf erpresserische Weise als „Maulwürfe“ zu rekrutieren. Dazu kamen dann später noch freiwillige „Selbstanbieter“ wie der Regierungsdirektor und BfV-Referatsgruppenleiter Hansjoachim Tiedge, der 1985 in die DDR wechselte, weil ihm seine Schulden und Alkoholprobleme über den Kopf wuchsen, und Klaus Kuron, ein Doppelagent im Kölner Bundesamt, den die Geldgier trieb.

Anfangs von NS-Kadern durchsetzt

Wegen Tiedges Verrat musste der ehemalige BfV-Präsident Heribert Hellenbroich, welcher gerade an die Spitze des Bundesnachrichtendienstes gewechselt war, seinen Hut nehmen, denn er hatte sämtliche Warnzeichen im Vorfeld ignoriert. Dabei war Hellenbroich nur einer von sieben Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, deren Geheimdienstkarriere unter ehrenrührigen Umständen oder wegen offensichtlicher Unfähigkeit endete – den zu Unrecht geschassten Hans-Georg Maaßen und den erst später als Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium wegen Bestechlichkeit kriminell gewordenen Ludwig-Holger Pfahls nicht mitgezählt.

Der erste Mann an der Spitze des BfV, Otto John, setzte sich im Juli 1954 nach Ost-Berlin ab und erhielt den Spitznamen „Bumerang“, nachdem er im Dezember 1955 in die Bundesrepublik zurückgekehrt war, wo man ihn wegen Landesverrates zu vier Jahren Zuchthaus verurteilte. Der übernächste BfV-Chef Heinz Schrübbers wiederum stolperte 1972 über seine frühere Tätigkeit als Oberstaatsanwalt im Dritten Reich und den Vorwurf, zu viele NS-Kader im Verfassungsschutz untergebracht zu haben. Allerdings galt Schrübbers auch deshalb als unbeliebt, weil er seinen Untergebenen per Dienstanweisung untersagte, „gruppenweise Wirtshäuser, Trinkstuben und Gaststätten“ aufzusuchen und „Bierleichen“ zu hinterlassen.

Schrübbers’ Nachfolger Günther Nollau musste dahingegen 1975 wegen des Versagens des Inlandsgeheimdienstes im Falle des DDR-Kanzleramtsspions Günter Guillaume zurücktreten. Acht Jahre später traf es dann den fünften BfV-Präsidenten Richard Meier. Dieser rammte während einer Spritztour mit seiner Geliebten ein holländisches Wohnmobil, wobei die Mätresse zu Tode kam und Meier schwere Gesichts- und Hirnverletzungen erlitt, welche angeblich zur dauerhaften Dienstunfähigkeit führten. Eckart Werthebach wiederum, der von 1991 bis 1995 amtierte, warf das Handtuch, weil gegen ihn Ermittlungen wegen Geheimnisverrats liefen. Und Heinz Fromms Karriere als letzter BfV-Präsident vor Maaßen endete im Juli 2012, als publik wurde, dass der Verfassungsschutz wenige Tage nach dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrundes Akten zu V-Leuten im NSU-Umfeld vernichtet hatte.

Als „Schreckschusspistole“ verlacht

Genauso ungeeignet wie die meisten Präsidenten des Bundesamtes waren in der Vergangenheit aber auch etliche Mitarbeiter auf den unteren Ebenen. Davon zeugen die vielen bekannt gewordenen Beispiele atemberaubender Inkompetenz, wie sie beispielsweise der „Spiegel“-Redakteur Peter Ferdinand Koch 2011 in seinem Buch „Enttarnt“ auflistet. So enthielt die Vorgängerkartei des Nachrichtendienstlichen Informationssystems NADIS unter anderem einen Eintrag über „Adenauer, Vnu.“, wobei die Abkürzung für „Vorname unbekannt“ steht. Ein weiteres Zeichen von völliger Unfähigkeit war der bis in die 1980er Jahre gepflegte Brauch, Geheimdokumente kostengünstig mit der Post zu verschicken, anstatt einen Kurierdienst zu beauftragen – im blinden Vertrauen darauf, dass sich schon kein Unbefugter für die seltsamen „Wertbriefe“ des Bundesamtes interessieren würde. 

Solch ein Dilettantismus sorgte bei den westlichen Partnerdiensten ebenso für Albträume wie die publik gewordene Entscheidung, in der Kölner Justizvollzugsanstalt „Klingelpütz“ hochbrisante BfV-Akten, darunter auch Dokumente über Doppelagenten, durch Strafgefangene verbrennen zu lassen. Einer der verurteilten Kriminellen, welcher wegen Brandstiftung und Erpressung einsaß, bewahrte mehrere der Papiere vor der Vernichtung und spielte sie dem Kölner Blatt „Express“ zu.

Der ehemalige Chef des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans Josef Horchem, erklärte solche und ähnliche Fehlleistungen in seinen Memoiren damit, dass man von Anfang an systematisch auf die falschen Leute gesetzt habe: „Ein Kollege, dessen Abwehrerfahrung allenfalls darin bestanden haben konnte, dass er Admiral Canaris einmal den Wagenschlag geöffnet hatte, ist schon mit seiner Einstellung im BfV zum Regierungsrat ernannt worden.“ Zur Erinnerung: Wilhelm Canaris war der legendäre Chef des militärischen Geheimdienstes des Oberkommandos der Wehrmacht gewesen.

Angesichts all dessen kann kaum verwundern, dass der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum (FDP) den Verfassungsschutz abwertend als „Schreckschusspistole“ bezeichnete. Wobei eine solche Waffe aber durchaus auch Schaden anzurichten vermag, wenn sie in falsche Hände gerät.