30.04.2024

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1999 Harburg: "80 Sinti und Roma kontrollieren das öffentliche Leben eines ganzen Viertels

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 1999


Geplatzte Illusionen:
Wenn die Stimmung kippt ...
Harburg: "80 Sinti und Roma kontrollieren das öffentliche Leben eines ganzen Viertels"
von GWEN SCHWETHELM

Im Hamburger Stadtteil Harburg muß man sich nicht auskennen, um das Phoenix-Gelände zu finden. Das Fabrikungetüm ist weithin sichtbar. Und an heißen Tagen liegt der Geruch von Gummi in der Luft.

In den Straßen um die Reifenfabrik herrscht reges Leben. Cafés und Kneipen sind gut besucht, Menschen verschiedenster Nationalitäten leben hier mit- und nebeneinander; sitzen in der Sonne, bummeln durch den Kiez oder stehen an Kiosken und unterhalten sich.

Das Phoenix-Viertel, wie es von den Harburgern genannt wird, wurde mitunter als ein Paradebeispiel für eine multikulturelle Gesellschaft, wie sie funktionieren kann, gehandelt. "Ein Viertel voller Leben!" weiß ein Gemüsehändler an der Wilstorfer Straße zu berichten.

Dem türkischen Imbiß folgt ein mexikanisches Restaurant, dem deutschen Kiosk ein griechischer Gemüseladen. Und in den Straßen ist das Bild ebenso bunt; Deutsche, Türken, Italiener, Slowenen, Afrikaner, alle bewohnen und prägen miteinander dieses Viertel. Es gab schon mal Ärger, aber das hielt sich in Grenzen.

Doch die auf den ersten Blick stabile "Kiezidylle" war zerbrechlicher, als von Behörden und Ansässigen angenommen. Seit Anfang des Jahres liegen bei den Anwohnern einiger Straßen die Nerven blank.

Alles begann mit dem Zuzug von achtzig Sinti und Roma, im Volksmund Zigeuner genannt. Man bemerkte eine zunehmende Vermüllung in den Straßen und auf den Spielplätzen sowie immer mehr zerschlagene Fensterscheiben in den Hinterhöfen. Lärmbelästigungen bis spät in die Nacht ließen die Bewohner keinen Schlaf finden. Drogenhandel und Pöbeleien bis hin zu Handgreiflichkeiten wurden alltäglich. "Ich traue mich nach 21 Uhr nicht mehr auf die Straße, denn da gehört denen das ganze Viertel", flüstert eine alleinstehende alte Frau und drückt sich in ihren Hauseingang zurück.

Angst, das haben hier inzwischen viele. Die Zigeuner lungerten in den Straßen und auf den Spielplätzen herum, pöbelten Passanten an und vertrieben systematisch die anderen Kinder der Nachbarschaft, beschweren sich die Phoenix-Viertler. Sie bedrohten, beraubten und verprügelten Jugendliche und ältere Menschen.

Alteingesessene verschiedener Nationalitäten ziehen schon weg. "Ich fühle mich hier nicht mehr sicher, habe Angst um meine Familie!", begründet ein türkischer Familienvater seine Entscheidung fortzuziehen. "Parteien, Behörden und Polizei unternahmen zu lange nichts, die Bevölkerung ist resigniert und eingeschüchtert. Es wird zuviel gefragt und zu wenig getan!" empört sich eine deutsche Anwohnerin, die seit 20 Jahren im Viertel lebt.

Anzeigen und Beschwerden häuften sich, doch mit der Begründung "In anderen Stadtteilen Hamburgs ist die Situation noch viel schlimmer!" bügelten Polizei und Behörden die Klagen der Anwohner ab.

Als die Stadt Hamburg dann auch noch in Erwägung zog, das örtliche Polizeirevier zu verlegen, kam es vollends zum Eklat.

Durch eine Unterschriftenaktion und Mitteilungen an die Presse machen die Betroffenen inzwischen auf die skandalösen Zustände in ihrem Viertel aufmerksam.

Erst davon aufgeschreckt, zeigten sich Parteiabgeordnete, Repräsentanten der Verwaltung und die Polizei gesprächsbereit. Mit den Vertretern der Anwohner fanden sie sich daraufhin zu einer Diskussionsrunde zusammen. Eine Lösung fand man aber nicht und bildete infolgedessen einen Arbeitskreis, der Lösungsansätze erarbeiten und weiterführen soll. Dieser Kreis traf sich mit Vertretern der jugoslawischen Zigeuner, was immerhin zu gemeinsamen Säuberungsaktionen in den Straßen und auf den Spielplätzen führte. Nach den Sommerferien soll dann mit einem "Fest der Zigeuner" menschliche Annährung versucht werden.

Auch die Parteien haben inzwischen die Iniative ergriffen, mit einer "Beschwerde-Hotline" und Bürgergesprächen bemühen sie sich, das verlorene Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Aber Angst und Mißtrauen bleiben groß, die Bewohner fühlen sich noch immer mit ihren Sorgen und Nöten alleingelassen. "Die Polizei geht morgens verstärkt Streife, aber nachts wäre es eigentlich notwendiger ..."

Bis heute ist auch noch nicht geklärt, wer für den Zuzug der Zigeuner verantwortlich gemacht werden kann. Spekulationen, ein Immobilienbesitzer habe seine Häuser an die Sinti und Roma vermietet, um die Wohnqualität des Viertels herabzusetzen und die Häuser dann günstig verkaufen zu können, sind bislang unbestätigt. Sicher ist nur, daß die Hinweise der Anwohner über angeblich überhöhte Mietzahlungen, Mehrfachbelegung der Wohnungen und illegalen Wohnungsausbau eine Lawine losgetreten haben. So ist schon längst nicht mehr nur der angegriffene Immobilienbesitzer in der Schußlinie, sondern auch andere Hauseigentümer in diesem Viertel.

Weiterer Kritik müssen sich Einwohnermeldeamt und Sozialamt stellen. Diese prüften weder die Wohnungsverhältnisse noch die Gründe für einen Zuzug der Zigeuner.

Von Anfang an engagiert war Pastor Heinrich Engelhardt von der Apostolischen Christengemeinde in der Eddelbüttelstraße. Ihm werden auf Plakaten einer anonymen linken Gruppe rechtsradikale Verbindungen unterstellt. Dabei scheint gerade der Kirchenmann um Verständigung im Phoenix-Viertel bemüht. Seit Jahren betreut Engelhardts Frau tagsüber Kinder unterschiedlichster Nationalitäten. Und der Pastor öffnet einmal die Woche die Jugendräume seiner Gemeinde für die ausländischen Nachbarn. "Jede Nationalität hat in diesem Viertel einen Treffpunkt, nur die Sinti und Roma nicht", gibt Heinrich Engelhardt zu Bedenken. Seiner Meinung nach müßte man sie von der Straße holen, ihnen eine Alternative bieten. Dabei seien wiederum Behörden und Politiker gefragt, denn sein wöchentliches Angebot sei nur ein "Tropfen auf den heißen Stein".

Den Überlegungen etlicher Anwohner, eine Bürgerwehr zu gründen, versuchen Bezirksamt und Arbeitskreis durch eine Interessengemeinschaft "Lebendiges Phoenix-Viertel" entgegenzuwirken. Ob das helfen wird?

"Sicher fühlen sich die Bürger nach wie vor nicht!", das weiß auch Hans-Ullrich Niels von der SPD. Viele seiner Gesprächspartner wollten aus Angst nicht, daß ihre Namen in der Öffentlichkeit genannt werden.

Weitere Schwierigkeiten bei der Verständigung bildet die Sprache. Viele der Zigeuner können kein Deutsch und sind nicht bereit, das zu ändern. Was wie ein Witz klingt: Den Kindern der Sinti und Roma ist es freigestellt, ob sie am Schulunterricht teilnehmen, gesetzlich verpflichtet wie sonst üblich sind sie nicht. "Wie sollen sie sich denn in unsere Gesellschaft einfügen, wenn sie mehr Rechte als Pflichten haben?" fragt sich da nicht nur Heinrich Engelhardt. Daß seine Einwände und Bedenken als "rechtsradikal" diffamiert werden, findet er beleidigend: "Man kann doch nicht nur Toleranz von einer Seite verlangen, alle Annehmlichkeiten in Anspruch nehmen, aber keine Bereitschaft zum Miteinanderleben zeigen. Es will niemand, daß sie verschwinden, aber es muß möglich sein, Probleme anzusprechen und sich zu arrangieren, ohne in diesem Land als rechtsradikal beschimpft zu werden!"

In Harburg entsteht ein Ghetto. Längst regieren Banden, sogenannte Jugend-Gangs, die Gegend. Hierbei handelt es sich nicht nur um Sinti und Roma, die gespannte Situation erhöht bei allen Nationalitäten die Gewaltbereitschaft.

Die Behörden stehen der Ghetto-Bildung hilflos gegenüber, denn sie haben derzeit keine rechtliche Handhabe, den Wohnsitz der Sinti und Roma vorzugeben.

Momentan scheint eine Art Sommerpause das Phoenix-Viertel zu befrieden. Urlaub und zahlreiche Presseberichte sorgen für Ruhe, aber wie es nach den Ferien weitergeht, weiß noch keiner abzuschätzen.

"Ich wünsche mir, daß hier wieder jeder leben kann und nicht nur solche, die sich wehren können. Die Menschen sollen hier alt werden können, ohne sich schwach oder bedroht fühlen zu müssen", äußerte sich Pastor Engelhardt hoffnungsvoll. Daß das ganze Viertel durch Schlagzeilen wie "Terror im Phoenix-Viertel" oder "Pulverfaß Phoenix-Viertel" in Verruf geraten ist, tut ihm weh. Aber anders wäre die Öffentlichkeit wohl nicht aufmerksam geworden. Und letztlich handelt es sich jetzt zwar "nur" um einige Straßen, aber wenn nichts geschieht, kippt unter Umständen die Stimmung im gesamten Viertel ...